Protest gegen die Telespargel

■ UMTS: Bald wird es 1.500 Sendeanlagen für Handys in Bremen geben. Gesundheitsrisiken sind nicht auszuschließen. Langsam formieren sich die Gegner

UMTS-Modellstadt – hört sich gut an. Bremen soll Zentrum des neuen Handy-Standards werden, der ab Ende diesen Jahres langsam das bestehende GSM-Netz ersetzen wird. So will es Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU). Bremer Firmen sollen die Software für die vielen bunten Anwendungen liefern, mit denen UMTS (Universal Mobile Telecommunication System) Handy-Nutzer beglücken soll. Statt Ton und Zeichen können UMTS-Handys zum Beispiel auch Filmchen übertragen.

In Japan ist UMTS bereits ein Flopp. Aber offensichtlich hat Hattig die Rechnung auch ohne viele Bremer gemacht. Sie fürchten Herzryhthmus-, Stoffwechsel-, Schlafstörungen und Schlimmeres durch Handy-„Elektrosmog“. 910 (vor allem GSM-) Antennen an 600 Standorten gibt es bereits, 1.500 Sendeanlagen in ganz Bremen sollen es werden, wenn die insgesamt sechs Betreiber ihre Handy-Masten flächendeckend installiert haben.

„Die Auswirkungen der Technik sind noch nicht erforscht“, sagt Almuth Pahl von der Bürgerinitiative gegen den Funkturm in Hammersbeck. Der 47 Meter hohe UMTS-Mast sollte 230 Meter von ihrem Haus entfernt gebaut werden. Auch in direkter Nähe: eine Schule.

„Studien haben ergeben, dass Kühe weniger Milch geben, Fehlbildungen bei Kälbern wurden nachgewiesen“, sagt Pahl. „Die UMTS-Folgen sind nicht abschätzbar.“ Fast 1.000 Unterschriften hat die BI gegen den 47 Meter hohen UMTS-Turm gesammmelt – und den Sendespargel vorerst verhindert. Nach der Übergabe der Protestler-Listen beschloss der Beirat Vegesack vorerst den Baustopp – bis zu einer Sondersitzung heute. Inzwischen haben Pahl und andere den Turmbauern der Telekom-Tochter Detemobil einen Drohbrief mit saftigen Schadensersatzforderungen geschickt, falls durch UMTS die Gesundheit geschädigt oder durch den nahen Turm der Wert ihres Hauses gemindert wird. Für Pahl ist klar: „UMTS-Hochburg Bremen – nein danke. Und wenn, dann nur mit begleitender Folge-Forschung. Sonst gibt es massiven politischen Druck.“

Genau den versuchen Matthias Ross und Tom Lecke-Lopatta abzufedern. Das Team von Gesundheits- und Planungsamt tourt derzeit durch die Beiräte, um Ängste abzufedern. „Die Verunsicherung in der Bevölkerung ist groß“, sagt Ross. „Aber bislang ist kein negativer Effekt der UMTS-Technik nachgewiesen.“ Das sagten „auch für die kritischen Institute“.

Das sieht Rainer Frentzel-Beyme vom Bremer Institut für Sozialmedizin und Präventionsforschung (BIPS) völlig anders: „Dass es Effekte wie Müdigkeit, Konzentrationsschwächen und Reizbarkeit gibt, ist unbestritten“, betont der Professor, der zu UMTS-Fragen schon als Experte im Bundestag und mehreren Landtagen geladen war. Viele Studien belegten die Gefährdung durch UMTS . Die Promo-Tour des Gesundheitsamtes beurteilt Frentzel-Beyme angesichts der vielen ungeklärten Fragen als „sehr kritisch: Die gehen sehr plump vor.“

„Wir leben nicht in einer Gesellschaft mit null Risiko, aber Hysterie ist völlig unnötig“, entgegnet Ross, der Mann vom Gesundheitsamt. Dennoch sei es „sinnvoll, sensible Personen, also Kinder und Jugendliche“ so weit wie möglich von den Sendemasten fernzuhalten. Deshalb werde es zum Beispiel keine Masten auf Schulen geben – auch wenn gerade unterhalb der Masten wegen der sich pilzförmig ausbreitenden Wellen keine Strahlung auftrete. „Da ist viel Psychologie im Spiel“, meint Ross.

„Es ist völlig irrational, dass wir über die UMTS-Problematik reden – wir leben längst im Elektro-smog“, sagt Planungsamtler Lecke-Lopatta. Schnurlose Telefone, Funkwecker, Fernseher, Stromleitungen – unsere Umgebung sei längst voller elektromagnetischer Wellen. Eine UMTS-Sendeanlage habe nur 20 Watt Abstrahlung, ein Funkturm für TV und Radio dagegen bis zu 500.000. Da sei es tatsächlich möglich, in der Nähe des Sendemastes in Horn eine Glühbirne in der Luft zum Leuchten zu bringen. Lecke-Lopatta: „Das ist kein Märchen.“ Also: „UMTS-Handys? Bei uns kommt der Strom aus der Steckdose ... “ ksc