Partei im Lähmungszustand

Von der CDU hört man nach außen nur noch wenig. Intern aber wird erbittert um die Nachfolge von Landeschef Diepgen gekämpft. Die Favoriten: Fraktionschef Steffel und Exsenator Hassemer

von STEFAN ALBERTI

Ein Bürogebäude am Spittelmarkt. Eine Bank hat sich dort eingemietet, eine Leasinggesellschaft, eine Softwarefirma. Der Mieter in der untersten Reihe der Klingelleiste kommt aus einer anderen Branche. „CDU Landesverband Berlin“ steht auf einem fingerbreiten Schild. Das einzige äußere Zeichen für die Zentrale der früher mächtigsten Partei der Stadt. Ein halbes Jahr schon warte man auf die bestellte Werbung, sagt der Parteisprecher. Ein Zustand mit Symbolkraft für die CDU.

„Die Partei ist seit 14 Wochen praktisch nicht mehr vorhanden und offenbar immer noch in einem Lähmungszustand“, mosert bei einem Politfrühschoppen in Schöneberg Jochen Feilcke, Ortsverbandschef und bis 1998 Bundestagsabgeordneter. Auf seine Einladung hin macht sich hier Jörg Schönbohm Gedanken über die CDU. Er, der in Berlin nicht Parteichef werden konnte und dann in Brandenburg nach oben kam, drängt kaum verhüllt auf rasche Personalentscheidungen. Seine Logik: Auf Bundesebene gingen die Umfragewerte für die CDU hoch, nachdem die K-Frage geklärt war. Darauf müssen die 16.000 Berliner Christdemokraten noch vier Monate warten. Erst am 25. Mai soll der neue Chef gewählt werden.

Feilcke sieht die bisherigen Matadoren noch zu sehr mitmischen. Jene, „die den Karren an die Wand gefahren haben“. Wie etwa Nochlandeschef Eberhard Diepgen. Der hat im Dezember angekündigt, dass er abdanken will, möchte sich aber vorher ein Bundestagsmandat als Nr. 1 auf der CDU-Landesliste sichern. „Ein geschasster Vorstandschef geht auch nicht in den Aufsichtsrat“, sagt Feilcke, der sich durch Diepgens Leute aus dem Parlament gedrängt sieht.

Diepgen selbst soll noch fast täglich in seinem Büro in der äußerlich so gesichtslosen Geschäftsstelle vorbeischauen. Ein Porträt von Konrad Adenauer hängt dort, wie bei vielen CDU-Oberen. Der Alte. Einer, der nicht gehen mochte, den die Partei aus dem Amt tragen musste.

Viele Namen sind in der Partei für Diepgens Nachfolge zu hören, von Günter Nooke, dem Ostler und Vizechef der Bundestagsfraktion, bis zum jugendliches Aushängeschild Mario Czaja. Peter Kurths Name fällt ebenfalls, doch der Exsenator hat wegen seines neuen Vorstandsjobs beim Entsorger Alba abgewinkt. Auch Monika Grütters, Doppelvize in Partei und Fraktion, schiebt den Beruf vor.

Dauerhaft bleiben nur zwei Namen im Ohr: Fraktionschef Frank Steffel und Volker Hassemer, der langjährige Stadtentwicklungssenator, der Ende Februar beim Hauptstadtvermarkter „Partner für Berlin“ aufhört. Ihn hatte vor allem Grütters ins Gespräch gebracht.

Steffel mag sich zur Vorsitzfrage offiziell nicht äußern. Parteifreunde sagen, er werbe an jeder Ecke um Stimmen für seine Wahl. Die Fraktion habe er nicht hinter sich, heißt es. Solche Mutmaßungen sind am Rande auch zu hören, als sich die Dahlemer CDU vom Ostabgeordneten Czaja die PDS erklären lässt. Fraktionskollege und Ortsverbandschef Hans-Georg Wellmann kann keinen geborenen Anwärter erkennen. Und Steffel? „Herr Steffel hat schnell Tritt gefasst als Fraktionsschef, und darauf sollte er sich konzentrieren“, sagt Wellmann. Ihm schwebt vor, dass ein profilierter Bundestagsabgeordneter einspringt.

Von Hassemer heißt es, er würde es machen, wenn die CDU ihm folgt – inklusive Steffel. Er selbst hatte sich bisher eher ablehnend geäußert. Mit seinen 61 Jahren wäre er ein Übergangsvorsitzender: einer, der die Partei ordnet, der ihr Zeit gibt, sich neu aufzustellen. Nach zwei Jahren könnte er Platz machen für die Dauerlösung – den Spitzenkandidaten für die nächste Abgeordnetenhauswahl.

Neben Steffel und Hassemer ist, wenn auch ganz leise, eine andere Variante zu hören: Diepgen spekuliere darauf, dass sich kein mehrheitsfähiger Kandidat findet und die Partei ihn ums Weitermachen bittet. Offiziell ist das kein Thema. „Er hat klar gesagt, dass er sein Amt niederlegen wird. Seine Entscheidung ist gefallen“, sagt CDU-Landesgeschäftsführer Matthias Wambach. Dass Diepgen sich derzeit bedeckt hält und nicht selbst jemanden präsentiert, hält Wambach für normal: Dem Vorschlag würde doch sofort der Geruch des Zöglings anhaften.

In diesen Tagen geht es bei Diepgen vorerst darum, sich den Spitzenplatz für die Bundestagswahl zu sichern. Ortsverbandschef Wellmann schließt nicht aus, dass es damit Schwierigkeiten geben wird. Das ist auch aus dem Landesvorstand zu hören.

Den Parteifreunden weiter nordöstlich wäre das recht. Während Czaja den Dahlemern den Osten erklärt, wählen die Pankower Günter Nooke zu ihrem Direktkandidaten. Der hatte Diepgen widerstrebend den Wahlkreis Mitte überlassen. Pankows CDU-Chef René Stadtkewitz fordert nicht direkt Listenplatz eins für seinen Mann. Aber Nooke als Spitzenkandidat der Berliner CDU, „das wäre ein positives Signal für den Osten“. Die Entscheidung fällt Mitte Februar im Sportzentrum Hohenschönhausen. Im Osten eben.