Die USA und der Frühling sollen es nun richten

In seinem Jahreswirtschaftsbericht 2002 verbreitet Bundesfinanzminister Eichel weiterhin viel Optimismus – trotz schlechter Zahlen

BERLIN taz ■ Er ist ein Stehaufmännchen: Nicht einmal die revidierte Wachstumsprognose seiner eigenen Experten von nur noch 0,75 Prozent konnte Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) nachhaltig schrecken. Die „ungünstige Ausgangsbasis zum Jahresende 2001“ ziehe den Gesamtwert nach unten, sagte er. So bringe die erwartete schwache Zunahme des Bruttoinlandsprodukts „nicht die deutliche Wiederbelebung der wirtschaftlichen Entwicklung zum Ausdruck“. Kurz: Eine Krise sieht er nicht mehr. „Deutschland steht vor einem neuen Aufschwung“ ist denn auch der Titel des gestern im Kabinett verabschiedeten 135-seitigen Jahreswirtschaftsberichts 2002.

Die Arbeitgeberverbände hielten den „rosa Blick“ für völlig verfehlt. Sie forderten wieder „strukturelle Reformen“, die die Unternehmen entlasten und damit sozusagen zwangsläufig die Wirtschaft ankurbeln sollen. Beim Deutschen Gewerkschaftsbund war man freundlicher – aber auch skeptisch: Man glaube wohl, dass die Konjunktur im Frühjahr wieder Tritt fasse, sagte DGB-Vorstandsmitglied Heinz Putzhammer. Insgesamt bleibe das „Wachstum in Deutschland aber unbefriedigend“.

Basis für den Optimismus Eichels ist die Hoffnung, dass sich die Wirtschaft in den USA nach dem Einbruch des letzten Jahres neu belebt und die Weltwirtschaft mit sich zieht. Anders als etwa der Sachverständigenrat, die so genannten fünf Wirtschaftsweisen, verzichteten die Experten im Finanzministerium auf ein alternatives Szenario. Dynamisch werde das Wachstum auf jeden Fall, so Eichel. „Im zweiten Halbjahr wird sich die Rate hochgerechnet auf 2,5 bis 3 Prozent belaufen.“

Auch bei der Arbeitslosenzahl zeigte er sich hoffnungsvoll. Der Bericht veranschlagt sie auf knapp unter der kritischen 4-Millionen-Grenze. Der Wirtschaftsweise Jürgen Kromphardt hatte der taz zuletzt gesagt, wenn sich die Arbeitslosigkeit im normalerweise beschäftigungsstärkeren Frühjahr nicht bessere, müsse Eichel tatsächlich über eine höhere Neuverschuldung nachdenken. Der Finanzminister selbst sieht das Haushaltsdefizit vorläufig einen halben Prozentpunkt höher als bislang erwartet bei 2,5 Prozent. Das Ziel eines Staatshaushalts ohne neue Schulden hält er nicht mehr 2004, sondern erst 2006 für erreichbar. Konjunkturprogramme lehnte er strikt ab. Zugleich kündigte er aber auch an, die erwarteten höheren Ausgaben für die Arbeitslosigkeit und die Mindereinnahmen bei den Steuern nicht durch neues Sparen zu kompensieren. BEATE WILLMS