Unsicher in unsicheren Zeiten

Politiker und Wirtschaftsführer treffen sich in New York: Wie geht es der Globalisierung nach dem 11. September? Und wie der sozialen Verantwortung?

von KATHARINA KOUFEN

Schon immer hatte Klaus Schwab ein Gespür dafür, welche Themen gerade angesagt sind. Doch diesmal trifft der Organisator des Weltwirtschaftsforums WEF gleich doppelt ins Schwarze: Zum einen findet das alljährliche Stelldichein von Wirtschaft und Politik erstmals nicht in Davos, sondern in New York statt – the place to be, um Solidarität mit den USA im Krieg gegen den Terror auszudrücken. Allerdings ist Symbolik nicht der einzige Grund für die Ortswahl: Nach heftigen Demonstrationen im letzten Jahr weigerte sich die Schweizer Regierung diesmal, die auf sieben Millionen Euro gestiegenen Kosten aufzubringen.

Zum anderen steht das Treffen unter dem Motto: Führerschaft in unsicheren Zeiten – eine Vision für eine ungewisse Zukunft. „Wird der Ruf nach mehr Sicherheit die Rolle des Staats in der Wirtschaft langfristig neu definieren?“, fragen etwa die Veranstalter auf der Internetseite des Forums. Und: „Wie wird die Globalisierung durch die Angst vor Terroranschlägen beeinflusst?

3.000 Menschen haben sich zur Teilnahme angemeldet, darunter 1.100 Spitzenmanager, 200 Wissenschaftler und zahlreiche Politiker. Expräsident Bill Clinton ist dabei, der afghanische Regierungschef Hamid Karsai und König Abdullah von Jordanien. Nicht eingeladen wurde dieses Jahr Dauergast Jassir Arafat: Die „Hasstiraden“ des Palästinenserpräsidenten auf Israel vor den Wahlen im letzen Jahr habe man als peinlich empfunden, so die Veranstalter. Ausgeladen wurde auch der Chef des zusammengebrochenen US-Energieriesen Enron, Kenneth Lay.

Aus Deutschland reisen Konzernchefs wie Ferdinand Piëch von Volkswagen, Heinrich von Pierer von Siemens und Josef Ackermann von der Deutschen Bank an. Der Bundeskanzler wird dabei sein, Finanzminister Hans Eichel hat kurzfristig abgesagt. Innenminister Otto Schily verzichtet wegen der NPD-Affäre auf die Reise nach New York.

Auch 40 Religionsführer sind eingeladen. Schließlich lautet einer der Themenkomplexe: „Werte teilen und Verschiedenheiten akzeptieren“. Auf der Tagesordnung stehen außerdem Diskussionen über „Armutsreduzierung“, „mehr Gleichheit“ und eine „humanere Globalisierung“.

In der Rhetorik unterscheiden sich die WEF-Teilnehmer kaum von ihren Gegnern. Die Unterschiede liegen in den Konzepten, wie die von Schwab beschworene „bessere Welt“ geschaffen werden soll. So setzen etwa die businessmen in New York auf die Investitionen privater Firmen in Entwicklungsländer. Die Gegner der neoliberalen Globalisierung hingegen misstrauen privatem Kapital, weil es seinen Anlegern Rendite bringen soll – und nicht Entwicklung.

„Mehrere tausend“ Globalisierungskritiker werden nach Schätzungen der New Yorker Polizei zu Protesten in die Stadt kommen. Die Beamten bereiten sich seit Wochen in speziellen Trainingseinheiten vor. 3.500 Eliteeinsatzkräfte und Scharfschützen stehen für eventuelle Ausschreitungen bereit. Bundespolizei und Geheimdienst arbeiten mit den New Yorkern zusammen. Allein deren Polizeichef Ray Kelly kann auf 40.000 Polizisten zurückgreifen. Rund um die Konferenz im Waldorf Astoria Hotel werden die Straßen gesperrt sein.

Die Veranstalter hoffen jedoch, dass es in New York nicht zu Straßenschlachten kommt, wie im vergangenen Jahr in Davos und Zürich. Einige Demonstranten äußerten bereits in Interviews mit amerikanischen Zeitungen, sie hielten Randale für „respektlos“, „unsensibel“ und „fürchterlich unangemessen“ gegenüber den Menschen in der Stadt. Doch nicht alle scheinen so zu denken: Von Anarchisten ist zu hören, man wolle „die Veranstaltung mal so richtig aufmischen“. Die größte Demonstration ist für Samstag geplant und offiziell genehmigt.

Am selben Tag soll abends die wichtigste Party der Forumsgäste stattfinden. Eigentlich wäre dafür der Ballsaal des Waldorf Astoria bestens geeignet, zumal jeder Ausflug nach draußen ein Sicherheitsrisiko bedeutet. Doch der Saal war bereits für eine Hochzeitsfeier gebucht, und das Brautpaar ließ sich nicht von Herrn Schwab vertreiben. Nun soll die WEF-Party in den Räumen der Börse in der Wall Street stattfinden.

An der Cocktailbar wird es dann um die Themen gehen, die auf der inoffiziellen Tagesordnung ganz oben stehen: Die konjunkturelle Flaute. Der Wiederaufbau Afghanistans. Der Konflikt in Nahost. Die Krise in Argentinien. Solche informellen Plauschrunden sind ganz im Sinne des Erfinders. Schließlich wollte Wirtschaftsprofessor Schwab damals, vor mehr als 30 Jahren, vor allem eins schaffen: einen Ort „mit Clubatmosphäre, die sehr hilfreich ist, wenn Schlüsselfragen von globaler Relevanz diskutiert werden.“

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