Etwas Ethik, etwas Forschung

Der Deutsche Bundestag stimmt mit der knappen Mehrheit von 340 Stimmen für eine kontrollierte Einfuhr embryonaler Stammzellen.265 Abgeordnete votieren für ein komplettes Einfuhrverbot. Damit kann eine begrenzte Forschung weitergehen

BERLIN taz ■ Es ging gestern im Bundestag um erste und letzte Fragen, um Leben und Tod, um Unschuld und Menschenwürde, und am Ende einer fast fünfstündigen Debatte mussten die Abgeordneten über das Unanstimmbare abstimmen: Sie entschieden sich mit einer Mehrheit von 340 von 618 abgegebenen Stimmen dafür, den Import embryonaler Stammzellen unter strengen Auflagen zu erlauben.

Damit erhielt der Antrag eine Mehrheit, dessen Position mit „Nein aber“ umschrieben wurde: Nein zur verbrauchenden Embryonenforschung, aber Ja zu Ausnahmen vom grundsätzlichen Importverbot. Bereits bestehende so genannte Zellinien sollen aus dem Ausland eingeführt werden dürfen. Aus dem Antrag wird jetzt ein Gesetz gemacht, das bis zur Sommerpause vom Bundestag verabschiedet werden soll.

Dieser fraktionsübergreifende Kompromissantrag war unter anderem von Margot von Renesse (SPD), Andrea Fischer (Grüne) sowie Maria Böhmer (CDU) eingebracht worden. „Da wir zwischen Feuern leben, ist es gefährlich, gerade Wege zu gehen“, sagte von Renesse in der Debatte. Oft sei es der gewundene Weg, der zum Ziel führe. Ihr Antrag sei das Ergebnis einer Verständigung zwischen Befürwortern und Gegnern des Imports von embryonalen Stammzellen, sagte die SPD-Abgeordnete.

Für diese Position hat neben der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel auch Gerhard Schröder geworben, der in die Debatte aber ausdrücklich nicht als Bundeskanzler, sondern als SPD-Abgeordneter eingriff. Trotz einiger Bedenken stimme er für diesen Antrag, sagte Schröder. Damit werde gegenüber dem geltenden Embryonenschutzgesetz keine prinzipiell neue Rechtslage geschaffen. Durch die präzisen Anforderungen an den Import werde jedoch mehr Rechtssicherheit erreicht. Schröder warnte ausdrücklich vor einem „deutschen Sonderweg“ in der Forschung.

Als erster Redner des Tages hatte zuvor der CDU-Abgeordnete Hermann Kues den Antrag der Importgegner begründet. Dem Embryo komme uneingeschränkte Menschenwürde und das Recht auf Leben zu, sagte Kues. Wer den Import von Stammzellen billige, billige auch die Tötung von Embryonen. „Wir stehen an einer Weggabelung ohne Rückkehrmöglichkeit“, fasste Kues die Lage nach einer monatelangen kontroversen Debatte über den Import embryonaler Stammzellen zusammen. Auch Monika Knoche (Grüne) forderte ein komplettes Importverbot. Der Antrag der Importgegner hatte in der ersten Abstimmung noch die meisten Stimmen bekommen, „unterlag“ dann aber im zweiten Wahlgang dem Renesse/Fischer/Böhmer-Antrag mit 265 zu 340 Stimmen.

Die Befürworter eines Stammzellen-Imports ohne Beschränkungen um Ulrike Flach (FDP), Peter Hintze und Wolfgang Schäuble (beide CDU) konnten bei der ersten Abstimmung nur 106 Stimmen auf sich vereinigen. Viele der Befürworter eines klaren Imports stimmten im zweiten Wahlgang dann für den Antrag, der einen Import von Stammzellen unter strengen Auflagen fordert. JENS KÖNIG

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