Vom Fußball zu den Fregatten

■ Der Ausgeher (6) im „Brommy“. Nach einem aufregenden Werder-Spiel drängelt er sich zwischen Klo- und Eichentüren und starrt auf uralte Schiffsmodelle

Ein verregneter Nachmittag. „Man müsse auch mal aus sich raus gehen.“ Ich höre das immer wieder. Welchen Zweck Menschen verfolgen, die mir sowas sagen, weiß ich nicht so richtig. Aber, mein Gott: Wie lange habe ich mir schon kein Fußballspiel angesehen – im Weserstadion, inklusive Alkoholgenuss und Armehochreißen.

Wenigstens gibt es dazu ausreichend Gelegenheit heute. Und was der Schiedsrichter da zusammenpfeift. Das geht auch auf keine Kuhhaut. Zum dritten Mal während des Spiels legt mein Begleiter seine Hand auf meinen Arm. Ich schaue zur Seite, ihm in die Augen. Er murmelt irgendwas. Die Abseitsentscheidung gehe vollkommen in Ordnung.

Mir doch egal. Sich aufregen, das gehört zum Spiel. Ich sehe mir die Leute an, die um uns herum sitzen. Ist ganz gut besucht heute. Wer von denen, denke ich, kommt wirklich hierher um ein gutes Spiel zu sehen. Wenn ich schonmal da bin, möchte ich doch nicht nach Hause gehen und sagen: Gut, Werder hat verloren, aber die anderen haben einfach besser gespielt.

Jetzt beschäftigen wir uns mit der Frage, wo wir denn hingehen sollen. Der andere, der nicht pausenlos Fairness einfordert, schlägt eine der Kneipen vor, die sich in Stadionnähe befinden. Im Sommer sagt er, sei hier immer die Hölle los, Schlangen am Bierausschank bis auf die Straße und kaum ein durchkommen. Aber es ist ja kein Sommer. Wenigstens hat der Regen etwas nachgelassen. Ich öffne die schwere Tür, denke, deutsche Eiche. Klamm und dumpf ist die Luft, die mir entgegenschlägt. Kein Wunder, bei dieser Menschenmenge.

Alle sehen penetrant in meine Richtung. Dann sehe ich, dass direkt über der Tür ein Fernseher angebracht ist. Berichterstattung, eine Art Nachspiel. Wie zur Rückversicherung durchlebt man nochmals die Momente des Glücks und der Pein. Im 4'33''-Häppchen ist das heutige Spiel auch nicht berauschender. Nur als die Bayern kurz vor Schluss den finalen Gegentreffer kassieren, kommt etwas mehr Stimmung auf.

Wie es hier sonst wohl ist? Vielleicht sitzen nur drei oder vier Gestalten verloren im maritimen Interieur. Als ob sie selbst längst dazugehörten. An einen Sitzplatz ist nicht zu denken. Hinten, direkt vor der Tür, die zu den Toiletten führt, kann man wenigstens einigermaßen stehen. In regelmäßigen Abständen kriege ich die Klinke ins Kreuz gerammt. Tschuldigung, stolpert jemand an mir vorbei. Dann beginnt er zu singen, dass er nie zum FC Bayern gehen würde. Warum auch? Mit dem Bauchansatz wenig Aussichten auf einen Stammplatz. Nun ja, in Punkto Sportlichkeit sollte ich lieber ein Blatt vor den Mund nehmen.

Viele hier sehen so aus, als hielten sie die Toten Hosen für Punk. Ich muss grinsen. .Nein, ich würde nie zu einem Toten Hosen-Song die Lippen bewegen.