Gleis to nowhere

■ Erstmals haben Deutsche Bahn und Bausenator alle brachliegenden Bahnflächen aufgelistet / Über 100 ha können entwickelt werden

Der größte Brocken liegt im Bremer Westen: Auf fünfzig Hektar Fläche zieht sich ein behäbiges Stück Land entlang der südlichen Kante Gröpelingens. Nach der Privatisierung der Bahn wurde dort der Rangierbahnhof aufgegeben. In der brandneuen Broschüre „Entwicklungspotenzial Bremer Bahnflächen – Bahnhöfe und Bahnflächen zur Stadt machen“ heißt es lapidar: „Es existieren noch keinerlei Perspektiven für neue Nutzungen.“

Die Broschüre stellt alle Flächen vor, die die Bahn gerne los wäre. Für deren Verwertung haben sich die Stadtgemeinde Bremen und die Deutsche Bahn Immobilien zu einer engen Zusammenarbeit entschlossen. Für manche Brachen wie die Gröpelinger gibt es noch kaum Ideen, andere sind quasi überreif: Am Güterbahnhof hinter dem Überseemuseum etwa, wo schon vor Jahren ein Büropark geplant wurde und Architekturwettbewerbe stattgefunden haben. „Die Fläche besitzt Innenstadtlage und ist Brache zugleich“, bringt es die neue Broschüre auf den Punkt. Theoretisch bebaubare Fläche: 11,76 ha. Die Bremer Investitionsgesellschaft (BIG) will das Grundstück für die Stadt erwerben, Hindernis ist das Gleis der Strecke Bremen-Oldenburg, das für eine anspruchsvolle Nutzung verlegt werden müsste. Gleisverlegung gehört aber zum Teuersten, die Verhandlungen stockten. Mittlerweile, so Lutz Ruminski, Sprecher der BIG, sei man aber „guter Dinge“. Investoren auf dem Grundtsück hat man dann noch lange nicht.

Unter anderem deshalb haben sich Bau- und Wirtschaftssenator in Bremen gegen eine so genannte ,Paketlösung' entschieden. Paketlösung hieße: Die Stadt kauft alle nach der Privatisierung brachfallenden Bahnhofsgebäude und Flächen auf und versucht sich in der Vermakelung. In Bremen sind das sechs zum Teil schmucke, gründerzeitliche Bahnhöfe unter anderem in Hemelingen, Sebaldsbrück oder Oslebshausen und insgesamt 102 Hektar Gleisfläche. Wenige sind so sahnig gelegen wie der Güterbahnhof. „Andere Flächen befinden sich in Stadtteilen, in denen ein Entwicklungsdruck schwer nachweisbar ist“, so eine Vorlage für die Baudeputation am Donnerstag.

Auch das Gröpelinger Areal zählt zu den „langfristigen Entwicklungsflächen“. Ob dort bewohnbare Parzellen, zum Beispiel die im Waller Fleet nicht mehr geduldeten, oder Ausgleichsflächen oder auch ein Knastneubau hinwandern könnten – hier ist zunächst mal alles offen. Holger Bruns, Sprecher von Bausenatorin Christine Wischer: „Das sind sehr langsfristige Prozesse“. Zumal die Rechtslage hochkompliziert ist: Bevor diese Grundstücke beplant werden können, müssen sie von der Nutzung durch die Bahn entwidmet werden. Das Eisenbahnbundesamt stimmt einer solchen Entwidmung aber erst zu, wenn alle Schritte „zur Aufrechterhal-tung des Bahnbetriebs finanziell und rechtlich“ abgesichert sind. Das verzögert den Prozess der Planung und schreckt Investoren. Die Verkehrsminister drängen derzeit auf eine Verfahrensvereinfachung.

„Trotzdem haben wir jetzt endlich eine Grundlage, auf der die Erschließung dieser Flächen für städtische Nutzungen vorangehen kann“, freut sich Bruns. Ein Arbeitsstab wurde gegründet, in dem Mitarbeiter von Wirtschafts-, Bau- und Finanzbehörde an neuen Konzepten für die Flächen arbeiten. Unter Einbeziehung der Bahn-Immobilengesellschaft DB Imm und der BIG sollen Nutzungsvarianten herausgearbeitet werden und gleichzeitig Lösungen für die verkehrliche Entwicklung und auch für die Dekontaminierung der zum Teil stark belasteten Flächen gefunden werden. Die derzeitigen – häufig kulturellen – Nutzungen sind von dem jetzigen Aktivitätsschub, so Sprecher Bruns, nicht bedroht.

Baudeputierte begrüßten die Entwicklung gestern. Die Grüne Karin Krusche: „Gut, dass endlich Bewegung in die Sache kommt, denn die Bahn ist ja ein schwerfälliges Unternehmen“. Auch für die Innenentwicklung ergäben sich nun interessante Möglichkeiten. Krusche und auch der SPD-Baudeputierte Carsten Sieling appellieren an die Bahn, jetzt vernünftige Preise ins Rennen zu werfen. Oft waren die Preisvorstellungen der Bahn für die peripheren Flächen überzogen. Durch die vereinbarte enge Zusammenarbeit soll nun auch in diese Frage Bewegung kommen. Elke Heyduck