Salt Lake City

„Ich freue mich, in die Stadt der brüderlichen Liebe zurückzukehren“, sagte Dennis Rodman anlässlich des NBA-Finales 1998, das ihn mit seinen Chicago Bulls zu den Utah Jazz nach Salt Lake City führte. Der Satz des bunthaarigen Basketballers war natürlich ironisch gemeint, und jeder in der Stadt am Großen Salzsee wusste dies nur zu genau.

Salt Lake City hat ein Imageproblem. Neben Cleveland gilt es als langweiligste Stadt Amerikas, und noch ein Jahr vor seinem liebevollen Spruch war Rodman zwischen zwei Spielen nach Las Vegas geflüchtet, weil man es in einer derart öden, noch dazu von „fucking mormons“ bewohnten Stadt nicht aushalten könne.

Die Bevölkerung von Salt Lake City ist sich des schlechten Rufes ihrer Stadt sehr wohl bewusst. Also beschloss man, etwas zu tun, und bewarb sich um die Olympischen Spiele. Verteufelte Ironie, dass auch dies gründlich danebengeriet. Erst verlor der hohe Favorit gegen Nagano und war davon dann derart geschockt, dass die Chefs des Organisationskomitees begannen, die nur zu empfänglichen Mitglieder des (IOC) schamlos mit Vergünstigungen und Geschenken zu überschütten.

Dies taten sie so dreist, dass der Schweizer Ski-Präsident Marc Hodler nicht mehr schweigen mochte und die Sache ans Licht brachte. Ausgerechnet die braven und ehrenwerten Bürger aus der Mormonenmetropole standen plötzlich als Erzbetrüger da.

Ebenso wie das IOC selbst erholten sich auch die Organisatoren in Salt Lake City nur langsam von der Bestechungsaffäre. Der neue Saubermann an der Spitze des Komitees, der Geschäftsmann Mitt Romney, konnte jedoch nach und nach die Wogen glätten, die meisten Sponsoren bei der Stange halten und auch die Honoratioren der Stadt und des Staats dazu bringen, sich wieder zaghaft der Sache Olympias zu nähern.

Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, wie sich die Mormonengemeinde nennt, legt Wert darauf, dass sie bei den Spielen nicht ihrer großen Leidenschaft, dem Missionieren, frönen will, doch völlig möchte sie diese Gelegenheit auch nicht vorüberziehen lassen. Für die tägliche Medaillenzeremonie stellten die Mormonen ihren großen Parkplatz in der Nähe des zentralen Heiligtums „Temple“ zur Verfügung.

Alkohol wird es auf der „Medals-Plaza“ nicht geben, doch ansonsten lockerten die Behörden ihre strengen Trinkbestimmungen. Keinen Spaß verstehen die Bürger des Staates Utah allerdings, wenn es um ihre geliebten Waffen geht. Erst nach langem Zwist stimmten sie zähneknirschend zu, sich spätestens am Eingang der Sportstätten von den guten Stücken zu trennen.

Wenn die rund 2.350 Sportler bei 78 Entscheidungen um insgesamt 717 Medaillen kämpfen, werden mehr als zehntausend Soldaten, Nationalgardisten, Polizisten und Feuerwehrleute in der Olympia-Region im Einsatz sein. Über dreihundert Millionen Dollar beträgt das Sicherheitsbudget der Spiele insgesamt.

Manch ein Athlet verlässt sich allerdings lieber auf die eigenen Fähigkeiten. „Wieso denn?“, sagte der Biathlet Sven Fischer, als sein russischer Kollege Pawel Rostowtsew gefragt wurde, ob er Angst habe, in Salt Lake City anzutreten: „Er kann schnell laufen und gut schießen.“ MATTI LIESKE