Kulturk(r)ampf in der Neustadt

■ David gegen Goliath: Neues Kunst-, Theater- und Musik-Zentrum im Buntentor rückt in greifbare Nähe, doch die alteingesessene Soziokultur-Initiative „Fuhrpark e. V.“ will nicht weichen Jetzt droht die Räumungsklage

Das ganze Buntentor blickt derzeit fiebernd grundlegenden Umstrukturierungen und Baumaßnahmen auf dem Gelände der alten Remmer-Brauerei entgegen. Das ganze Buntentor? Nein, eine kleine engagierte Kulturinitiative versucht sich im schier aussichtslosen Kampf gegen die Behörde.

Im April 2003 soll es fertig sein, das neue Veranstaltungszentrum der Superlative für freie und vor allem junge Bremer Kunst. „Artists in residence“ werden unter anderen Junges Theater, die steptext dance company, die auf dem Gelände bereits ansässigen MusikerInneninitiative und Städtische Galerie. „Wir planen Klein-Kampnagel in der Neustadt“ zeigt sich die zuständige Kulturamtsleiterin Margit Hohlfeld ehrgeizig. Damit einher geht jedoch die Ausquartierung des soziokulturellen Zentrums Fuhrpark, denn stadtteilbezogene Kulturarbeit wird in dem geplanten Komplex zur Nebensache.

Der Fuhrpark wurde Mitte der 80er Jahre gegründet und versteht sich als soziokulturelles Zentrum mit drei Schwerpunkten: Kurs- und Weiterbildungsangebote, Interkulturelle Arbeit, wie MigrantInnentreffen oder multikulturelle Theatergruppen, sowie das Stadtteilarchiv. Die Arbeitsgruppe „Geschichtsarbeit“ trifft sich wöchentlich, um die Geschichte der Neustadt zu pflegen und der Öffentlichkeit zu präsentieren. Vergangene Ausstellungen fokussierten die Enteignung jüdischen Besitzes im „Dritten Reich“ oder den Einfluß der Lebens- und Genußmittelindustrie auf Stadtbild und Bevölkerungsstruktur.

Vor zwei Wochen wollten Handwerker den Veranstaltungsraum unterm Dach des Gär- und Lagergebäudes der ehemaligen Brauerei ausmessen. Bislang wird er vom Fuhrpark an Kursleiter vermietet, doch sollen so bald wie möglich die Umbauten zur Probebühne für Off-Theater-Kultur beginnen. Das Problem: bis dato gibt es keine räumliche Alternative für den Verein. Die Kündigung liegt beim Vorstand der Initiative seit einiger Zeit auf dem Tisch, doch weigert man sich, das Feld zu räumen. Uwe Schubert, ehrenamtlicher Mitarbeiter: „Wir machen billige Kulturarbeit für die Neustadt. Und jetzt sollen wir einfach vertrieben werden? Das lassen wir uns nicht gefallen.“ Die Vorschläge der Kulturbehörde wies man zurück, da beispielsweise die Büroräume der Bremer Heimstiftung, angedachter Ort für das Archiv, schlicht zu klein seien.

Was des einen Leid, ist auch hier des anderen Freud. Das Junge Theater erarbeitete bereits drei Produktionen in der Schwankhalle, die neben einem Hallen-Neubau künftig die Darstellende Kunst präsentieren wird. Natürlich wartet man auch in der aktuellen Spielstätte des Theaters auf den Umzug aus dem „Auslaufmodell Güterbahnhof“ und die neuen Probebühnen, so Intendant Carsten Werner. „Die Mitglieder vom Fuhrpark wollen einfach nicht wahrhaben, dass sie sich verabschieden müssen“(Werner).

„Für unseren Veranstaltungsraum und die Büros hat es nie eine konkrete Kündigung gegeben“ hält Uwe Schubert dagegen. Und versichert, so lange nicht nachzugeben, bis eine räumliche Alternative gefunden sei.

Das mit der Kündigung sieht Kulturamtsleiterin Margit Hohlfeld ganz anders. „Kompletter Unfug! Der Mietvertrag ist von der ,Bremischen' Anfang September zum Jahresende gekündigt worden.“

Grundsätzlich zeige die Stadt Interesse an stadtteilbezogener soziokultureller Arbeit. „Doch was den Fuhrpark angeht: Soziokulturelle Arbeit kann nicht bedeuten, bloß Räume zu vermieten“, so Hohlfeld, die von der Initiative in Zukunft erwartet, alternative Konzepte zu erarbeiten und sich neuen Strukturen, wie dem vermehrten Zuzug von Studenten in die Neustadt, anzupassen.

Am Stadtteilarchiv ist die Kulturbehörde sehr interessiert, auch werde die zum August auslaufende Stelle von Fuhrpark-Geschäftsfüherin Martina Renner weiterhin finanziert. Doch über die konkrete weitere Zusammenarbeit von Fuhrpark und Kulturbehörde könne man erst bei Vorlage von alternativen Konzepten verhandeln.

Der Fuhrpark plant derzeit Protestaktionen, am Mittwoch wird es ein Treffen mit der ,Bremischen' und VertreterInnen der Kulturbehörde geben. Dann soll dem Verein ein Ultimatum gestellt werden. Margit Hohlfeld: „Ich will natürlich den ganz großen Ärger vermeiden, aber wenn sich da nicht bald was tut, dann gibt es eine Räumungsklage.“

Roland Rödermund