Hochzeit mit Schattenseiten

Heute vermählen sich in Amsterdam Kronprinz Wilhelm Alexander und die Argentinierin Máxima Zorreguita. Die Niederlande und Argentinien: Eine Geschichte über Fußball, Politik und Liebe

von ESTELA SCHINDEL

Am 25. Juni 1978 begleiteten 50.000 Zuschauer ihre Nationalmannschaft ins River-Plate-Stadion zum Endspiel der Fußballweltmeisterschaft. Das Spiel, bei dem die argentinische Auswahl die niederländische Mannschaft in der Nachspielzeit mit 3:1 besiegte, war der krönende Abschluss eines psychologischen Feldzugs der regierenden Militärjunta gegen die eigene Bevölkerung. Es ging darum, vor Morde, Folterungen und das Verschwinden von Personen eine Fassade des Glücks und der Harmonie zu bauen. Heute werden die Fahnen beider Länder in Amsterdam wehen, wenn sich Prinz Wilhelm Alexander und die zukünftige Prinzessin Máxima Zorreguita umgeben von Publikum und königlichem Gepränge das Jawort geben.

1978 kreierten die argentinischen Zuschauer einen kuriosen Anfeuerungsruf: Während die Menge rhythmisch und gleichzeitig, argentinische Fahnen schwingend, in die Luft sprang, riefen sie: „Wer nicht hüpft ist, Holländer!“ Der Spruch wurde tagelang auf den Straßen und Plätzen wiederholt: Man musste im Rhythmus der Menge hüpfen, um Patriotismus zu zeigen.

Die niederländische Auswahl, die hervorragenden Fußball spielte, war zur Weltmeisterschaft gefahren, obwohl die Mehrheit der Niederländer dagegen war, durch ihre Anwesenheit der Militärdiktatur einen Blankoscheck auszustellen. Viele der Spieler hatten Kontakt zu den Müttern der Plazo de Mayo aufgenommen und sich ihrem Protest vor dem Regierungspalast angeschlossen – eine Geste der Zivilcourage, die nur wenige, zu wenige Argentinier gezeigt hatten. Nach dem Endspiel weigerten sich die Spieler, den Diktatoren die Hand zu reichen, um die Silbermedaillen in Empfang zu nehmen – und die argentinische Presse leugnete den politischen Charakter dieser Haltung und beschrieb die Niederländer schlicht als „schlechte Verlierer“.

Es war eine Ironie der Geschichte, dass der Verlierer des Endspiels ausgerechnet aus dem Land kam, das bei der Anklage der Verbrechen der Diktatur an vorderster Front stand. Die holländische Königin hatte die Mütter von Verschwundenen in ihrem Palast empfangen – eine Geste, die in europäischen Königshäusern ihresgleichen suchte. Dass heute ausgerechnet die zukünftige niederländische Prinzessin eine Tochter aus dem Hause der argentinischen Oligarchie ist, die direkt mit dem politischen Projekt der Militärs verbunden war, kann nur als neuerliche Ironie der Geschichte betrachtet werden. Máximas Vater, Jorge Zorreguita, war Landwirtschaftsminister der argentinischen Militärdiktatur gewesen. Das holländische Parlament war nicht bereit, ohne weiteres zu akzeptieren, dass die zukünftige Mutter eines Monarchen mit so einer blutigen Geschichte in Verbindung stehen sollte.

In einem Exempel demokratischer Einschränkung königlicher Macht stellte das Parlament Bedingungen auf: Zusätzlich zum Erlernen des Protokolls und der Vervollständigung der niederländischen Sprachkenntnisse sollte Máxima sich öffentlich von den Taten ihres Vaters distanzieren; und die Eltern sollten der Hochzeit fernbleiben.

Doch die Missverständnisse hören nicht auf. In einem Interview im holländischen Fernsehen sagte das Paar, sie hätten keinen Grund, an der Versicherung Jorge Zorreguietas zu zweifeln, er habe von den Bluttaten seines Regimes „nichts gewusst“. Aber die Untersuchungen des niederländischen Parlaments und die historische Ehrlichkeit lassen keinen Zweifel zu: Wie in Nazideutschland wussten nur diejenigen wirklich nichts, die auch wirklich nichts wissen wollten. Und ohne die Hilfe einer bürgerlichen Führungsschicht wäre der kriminelle Plan der Militärs nicht durchzuführen gewesen.

Heute füllen sich in Argentinien wieder die Straßen und Plätze – aber nur nicht aus Jubel, sondern auch aus Protest. In den geschmückten Straßen Amsterdams werden es diesmal Niederländer sein, die hüpfen und feiern. Ihr Parlament hat Argentinien eine Lektion in Sachen Zivilität erteilt, die mehr wert ist als tausend Weltmeisterschaftstitel. Wer heute hüpft, ist Holländer.

Die Autorin ist Argentinierin und promoviert derzeit an der Freien Universität Berlin im Fach Soziologie mit einer Arbeit über die Verschwundenen in Argentinien.