„Das Licht ist schön“

■ Heute bis Mittwoch: Kieslowskis Farben-Trilogie im Alabama

Kieslowski ist ein Metaphysiker eigener Art. In seiner Farben-Trilogie unterzieht er die in der Trikolore repräsentierten Ideale der französischen Revolution einer kritischen Gegenwartsanalyse. Ex negativo zeigt er, wie es heutzutage um die leuchtenden Schlagworte „Liberté, Égalité und Fraternité“ bestellt ist. Teilweise führt das zu dumpfen, schwermütigen Bildern, die so dreckig und vergilbt sind wie der Schnee in Weiß. Da ist aber auch dieser heitere Tonfall „à la Fran-çaise“, der im satten Purpur einer Werbefläche und ihrer sorglosen Botschaft „En toutes circonstances: Fraîcheur de vivre!“ gipfelt.

Interessant sind besonders die Zwischentöne. Sie markieren die Bruchstellen der Handlung und der Wahrnehmung. Wenn Juliette Binoche, die Mann und Kind bei einem Autounfall verloren hat, in Blau versucht, zu einem eigenen Leben zurückzufinden, so erfolgt an Schlüsselstellen ihres virtuos zurückgenommenen, fast durchscheinenden Spiels, das wie eine Absage an Eindeutigkeit aussieht, eine Abblende zum Schwarzbild. Es erklingt Musik. Gerade der Kontrast ist es, den Kieslowski in seiner Farbdramaturgie sucht.

Was in Blau das Hören einer Melodie war, wird in Rot der Anblick einer Gestalt im einfallenden Licht. Der Richter Jaques ist ein Zyniker, der die Gespräche seiner Nachbarn per Funk belauscht. Als das Model Carine, das seinen Hund angefahren hat, in seine geheimnisvolle Wohnung tritt, bittet er sie, für einen Moment still zu verweilen, denn „das Licht ist schön“. Hier vollzieht sich eine Wendung – zwei Lebenswege gehen eine Weile simultan.

Als Metaphysiker liegt Kieslowski jedoch die Zuschreibung von Wert und Wahrheit fern. Seine Filme enden meist offen. Am Ende von Weiß deutet die vom Exehemann ins Gefängnis gebrachte Frau nur mit einer Geste an, dass sie ihn wieder heiraten möchte, worauf all sein Streben, selbst ihre Inhaftierung, ausgerichtet war. In Blau findet die Witwe nach Vollendung der Partitur wieder den Weg in die Arme eines Mannes. Eine Liebesszene, die, unterlegt mit Chorälen und Bibelzitaten, in eine ungewisse Zukunft weist.

Besonders plastisch ist die Offenheit jedoch in Rot, wo der Moment der Rettung zum Bild gefriert, in dem sich das Motiv der purpurroten Werbefläche wiederholt. Das Versprechen des Slogans bekommt das erste Mal einen Sinn: Triefend nass aus dem Meer gefischt, kann man über das postulierte „Fraîcheur de vivre“ nur lachen. Metaphysiker haben wohl Humor, und die beworbene Kaugummimarke heißt nicht umsonst „Hollywood“. Stefanie Maeck

Drei Farben: Blau, heute; Weiss 5.2.; Rot, 6.2., 18.30 Uhr, Alabama