Schill im Affären-Rausch

Neue Vorwürfe: Innensenator soll Schickeria-Milieu bei der Drogenfahndung schonen. SPD erwägt Untersuchungsausschuss  ■ Von Heike Dierbach

Die Kokain-Affäre ist noch nicht abgekühlt, da gerät Innensenator Ronald Schill erneut unter Druck: Nach im heutigen Spiegel veröffentlichten Vorwürfen, er habe unter anderem Anweisung gegeben, bei der Drogenfahndung das Schickeria-Milieu zu schonen, schließt die Opposition einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss nicht aus. SPD-Landesvorsitzender Olaf Scholz: „Herr von Beust muss sich genau überlegen, ob und wie lange er an seinem Innensenator festhält. Wenn auch nur ein Bruchteil der jüngsten Berichterstattung zutrifft, ist die Schmerzgrenze überschritten.“

Die SPD will in einer Großen Anfrage an den Senat mehrere im Spiegel erhobene Vorwürfe klären lassen; die GAL hat dazu bereits zwei Kleine Anfragen formuliert. Deren Abgeordneter Manfred Mahr begehrt zu wissen, ob es zutrifft, dass Schill im Wahlkampf einen „ehrenamtlichen“ Bodyguard engagiert hatte, der unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt ist. Schill will davon laut Spiegel nichts gewusst haben. Der zweite Punkt betrifft eine angebliche Anweisung des Innensenators, die Drogenfahndung schwerpunktmäßig explizit nicht in Schickeria-Kreisen einzusetzen – diese also „weitgehend freizuhalten“, wie Mahr formuliert.

Und schließlich verlangen GAL und SPD Aufklärung zu dem Vorwurf, die ehemalige Kanzlei von Schill-Staatsrat Walter Wellinghausen vertrete zahlreiche Klienten, gegen die im Bereich Organisierte Kriminalität ermittelt wird. Die Polizeiführung soll deshalb auch Bedenken gegen Wellinghausens Ernennung geäußert haben.

„Wenn die Antworten des Senates ungenügend oder hinhaltend ausfallen“, sagt Scholz, „ist ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss nicht ausgeschlossen.“ Die Vorwürfe werden am Mittwoch auch Thema in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft sein. Auch die Gewerkschaft der Polizei forderte Schill gestern auf, die neuen Vorwürfe umgehend zu klären. „Zweifel an der Integrität der Behördenleitung müssen schnellstens beseitigt werden“, so Bundesvorsitzender Konrad Freiberg. Innensenator Ronald Schill sowie der Senat hüllten sich gestern zu den Vorwürfen in Schweigen und waren auch nicht für eine Stellungnahme erreichbar.

In der Kokain-Affäre hingegen gibt sich die SPD mit Schills Aussage, er habe nie illegale Drogen genommen, zufrieden. „Wir wollen keine Gerüchte verbreitern“, sagt Fraktionschef Uwe Grund. Politiker von CDU und FDP, wie die Bundestagsabgeordneten Wolfang Freiherr von Stetten (CDU) und Jörg van Essen (FDP), werfen indessen Verfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem vor, sich mit seinem mahnenden Brief an Schill eingemischt zu haben. Die CDU Altona beklagt in einer Erklärung die „Verwilderung der Sitten“.

Hoffmann-Riem selbst erklärte im NDR, mit der Erklärung Schills sei für ihn die Angelegenheit erledigt. Er habe aber in seiner Funktion als Staatsbürger, Wissenschaftler und Richter eine öffentliche Verantwortung gefühlt.