Nur ein schlechter Tag

Die Berlinerin Hanka Kupfernagel gewinnt bei der Rad-Cross-WM in Zolder die Silbermedaille hinter der Französin Laurence Leboucher und muss sich dennoch Fragen nach ihrer Form gefallen lassen

aus Zolder SEBASTIAN MOLL

Ob es nun ein zweiter oder ein dritter Platz war, schien Hanka Kupfernagel ziemlich egal. Gleichmütig stellte sie sich zur Siegerehrung der Querfeldein-Weltmeisterschaften vor das Podest mit der Nummmer drei, obwohl sie doch im Sprint der Verfolgerinnen hinter der Französin Laurence Leboucher noch die Holländerin Daphny VanDen Brand niedergerungen hatte. Selbst als die Berlinerin darauf aufmerksam gemacht wurde, dass ihr rechtmäßig das Treppchen mit der Nummer zwei zusteht und sie mit der Holländerin die Plätze tauschen dürfe, heiterte sich ihre versteinerte Miene kaum auf. Und nicht einmal der respektvolle Applaus der 10.000 Zuschauer von der Tribüne des ehemaligen Formel-1-Kurses in Nordbelgien konnte die strengen Gesichtszüge der Hanka Kupfernagel mit einem Lächeln aufhellen.

Dabei hätte die Cross-Weltmeisterin der vergangenen zwei Jahre zumindest auf einen großen Kampf stolz sein können, den sie der Französin Leboucher geboten hatte. Vom Start weg hatte sie sich bemüht, das Rennen unter ihre Regie zu bringen, hatte sich in der ersten Runde an die Spitze gesetzt und somit einige Widersacherinnen bereits überrumpelt, noch bevor der Wettkampf richtig begonnen hatte. Doch in Runde drei von fünf rutschte Kupfernagel in einem Waldstück just in dem Moment aus, in dem Leboucher eine Attacke ritt. Die Französin, die schon 1998 Weltmeisterin auf dem Mountainbike war, nutzte ihre Chance und nahm den verbliebenen Verfolgerinnen um Kupfernagel rasch eine Minute ab. Zumindest in der zurückgebliebenen Dreiergruppe aber biss sich Kupfernagel tapfer fest und rang ihre Konkurrentinnen auf der Zielgeraden nieder.

„Shit happens“, kommentierte die Berlinerin das Missgeschick in Runde drei nach ihrer beherzten Zieldurchfahrt und konnte dabei ihre Enttäuschung nur schwerlich verbergen. Fast gereizt reagierte sie auf die Frage, ob sie sich denn auf dem selben Formniveau befinde wie in den vergangenen Jahren, in denen sie sich das Regenbogentrikot der Cross-Weltmeisterin hatte überstreifen dürfen. „Ich war gut drauf. Ich hatte nur einen schlechten Tag“, wehrte sie die Unterstellung ab, ihr fehle zu der Verfassung, in der sie vor und nach den Olympischen Spielen von Sydney war, wo sie Silber im Straßenrennen gewann, noch einiges.

Viel hat sich im Leben von Hanka Kupfernagel nach Sydney geändert: Trennung von ihrem Trainer und Ehemann Torsten Wittig, Umzug von ihrer Heimat Berlin nach Holland, wo sie in einer neuen Profi-Equipe Beschäftigung fand. Wohl fühlte sie sich dort jedoch nicht, die letzte Saison war sportlich ein Streichergebnis, der erfolgreichsten deutschen Radsportlerin gelang nicht ein einziger nennenswerter Saisonsieg. Dafür holte sie vieles nach, was sie in den Jahren vor Sydney hatte missen müssen. Ein wichtiges Emanzipationsjahr, wie sie heute sagt, doch der Mangel an sportlichem Erfolg schmerzte sie dann doch arg. Deshalb kehrte sie nach Berlin zurück, um wieder in der Trainingsgruppe unter ihrem Ex-Ehemann beim BRC Zugvogel Berlin zu trainieren.

Torsten Wittig war es auch, der Kupfernagel auf die Meisterschaften von Zolder vorbereitete und sie in Belgien betreute. Sich sportlich wieder zusammenzufinden, wenn es privat nicht mehr harmoniert – das geben beide zu –, ist eine schwierige Aufgabe. Um des Erfolgs willen sind jedoch beide gewillt, diesen schweren Weg zu gehen. Auch wenn es Kupfernagel noch augenscheinliches Unbehagen bereitet, sich wieder dem harten Regime ihres geschiedenen Mannes zu unterwerfen. „Man muss 100 Prozent für den Radsport leben“ ist dessen Credo, und er macht keinen Hehl daraus, dass seiner Ex dazu noch ein paar Prozentpunkte fehlen. „Da reden mir zu viele Leute mit“, klagt er auch darüber, dass seine Autorität bei seiner Frau seit der Trennung merklich abgenommen hat.

Sich dieser Autorität wieder zu unterwerfen sträubt sich Hanka Kupfernagel zwar, aber gewinnen möchte sie dennoch. So gesehen war Zolder wohl nur der Beginn eines psychologischen Seiltanzes für die erfolgreichste deutsche Radsportlerin.