Italiens Marine soll „Invasion“ stoppen

Premier Berlusconi will das Militär gegen Flüchtlinge einsetzen. Bossi drängt auf repressive Immigrationspolitik

ROM taz ■ Seit Freitag hat Italiens Marine einen neuen Kampfauftrag: die Abwehr der „Invasion“ illegaler Einwanderer. Silvio Berlusconis Rechtsregierung beschloss, neben den Patrouillenbooten der Küstenwache und der Guardia di Finanza nun auch Kriegsschiffe zum Einsatz zu bringen, um die vor allem die Küsten Apuliens und Kalabriens ansteuernden Kähne mit oft hunderten Immigranten abzufangen.

Der Zeitpunkt für den Kabinettsbeschluss war gut gewählt, denn nur einen Tag vorher war das Einwanderungs-„Problem“ nach wochenlanger Ruhe wieder spektakulär ins Licht der Öffentlichkeit gerückt: Im süditalienischen Hafen Gallipoli war der türkische Frachter „Engin“ mit 477 Menschen an Bord, unter ihnen 102 Kinder, eingelaufen. Und nur einen Tag später griff die Polizei an Land 90 weitere kurdische Flüchtlinge aus dem Irak auf, während bei Syrakus 66 Personen aus Sri Lanka gestellt wurden. Was ein Einsatz der Marine daran hätte ändern können, ist nicht recht klar; allein schon unter humanitären Gesichtspunkten müssen die italienischen Behörden jene Menschen an Land zu nehmen, die meist eine Reise unter katastrophalen Bedingungen hinter sich haben.

Aber das Eintreffen der „Engin“ schaffte den Hardlinern in der Rechtskoalition den Anlass, Handlungsbedarf anzumelden. Der Lega-Nord-Chef und Minister für Verfassungsreformen Umberto Bossi formulierte gleich einen veritablen Kampfauftrag: Es gehe darum, „Invasionen“ zu verhindern, die auf die Zerstörung des Nationalstaates zielten. Man solle es doch halten wie die Franzosen; die hätten letzthin ein Schiff auf hoher See gestoppt, die Passagiere per Fähre ins Herkunftsland zurückverfrachtet und dann das Boot „mit zwei Schüssen in den Bauch“ kurzerhand versenkt.

Ein Schiff versenkt hat allerdings auch schon die italienische Marine. Im März 1997 rammte ein Kriegsschiff auf einer Verfolgungsjagd einen Kutter, die 108 Menschen mit sich in die Tiefe riss. 1997 fand sich der damalige Oppositionsführer Silvio Berlusconi zu Fernsehauftritten an der Seite der Überlebenden ein und erklärte, solche Einsätze seien „eines zivilen Landes unwürdig“. Jetzt dagegen schlägt er sich auf die Seite der Scharfmacher um Umberto Bossi. Bossi fordert nicht nur Marine-Einsätze, sondern auch ein rüdes diplomatisches Vorgehen gegen die türkische Regierung, die nichts dagegen unternehme, dass von ihren Häfen aus regelmäßig Schiffe mit Illegalen in See stechen; Abberufung des Botschafters und Einstellung ökonomischer Hilfen sind als Repressalien im Gespräch. Zur mäßigenden Kraft im italienischen Kabinett wird jetzt der Altfaschist Mirko Tremaglia; er verkündet weiterhin, oft genug sei „Aufnahme der Immigranten die einzige Lösung“. Umberto Bossi dagegen will sich die Chance nicht entgehen lassen, die Immigrationspolitik endlich auf Repression pur umzustellen. Es gebe nur zwei Alternativen, so verkündete er jetzt: entweder die von ihm gewünschte „internationale Krise“ mit der Türkei oder aber „eine Krise in der italienischen Regierung“. MICHAEL BRAUN