Der Norden ist Spitze

Untersuchung zu nachhaltiger Staatsführung: Skandinavische Länder stehen ganz oben, Deutschland und die USA im Mittelfeld. Bewertet wurden 130 Komponenten in Sachen Umwelt und Soziales

Das Durchleuchten von Unternehmen gehört zum Tagesgeschäft vieler Analysten. Sie beißen sich durch Bilanzen, Geschäftsberichte, Meldungen und reden mit der Geschäftsführung, um anschließend alle Informationen zu sortieren und zu bewerten. Potenzielle Anleger erhalten dann ein Bild darüber, ob sich eine Investition lohnen könnte, mithin der Aktienkauf rentabel zu werden verspricht.

Über rein monetäre Aspekte hinaus geht die Unternehmensanalyse dann, wenn – wie etwa bei ökologischen Anlagen üblich – die Firmen auch hinsichtlich ihres Umweltverhaltens sowie der Wahrnehmung ethischer und sozialer Verantwortung geprüft werden: Über Renditechancen und Risiken hinaus werden dem Bild so Kriterien des externen und internen Verhaltens eines Betriebs hinzugefügt.

Länder werden bewertet

Noch einen Schritt weiter ging jetzt die Münchener Rating-Agentur oekom research AG: In einem – wie sie es nennt – „Country Rating“ hat sie nunmehr 30 OECD-Staaten und Russland unter die Lupe genommen. Ziel war es, Hinweise darauf geben zu können, wie Staatsanleihen, also festverzinsliche Wertpapiere, unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit einzuschätzen sind. Dieses neue Instrument stehe nun institutionellen Anlegern, die nachhaltig investieren wollen, zur Verfügung. Mit dem Country Rating reagiere man „auf die Nachfrage vieler Investoren nach einer ethisch-ökologischen Bewertung von Staatsanleihen“, so Matthias Bönning, Leiter des Analystenteams bei oekom.

Das Nachhaltigkeitsrating der 31 Länder versteht sich dabei nach Angaben von oekom als Ergänzung zu klassischen Credit Ratings. Insofern wurde „bei der Bewertung auf finanzwirtschaftliche Indikatoren bewusst verzichtet“. In Zusammenarbeit mit Experten aus Wissenschaft und Forschung hat oekom research 130 Indikatoren ausgewählt, um „die ökologische und soziale Situation eines Landes realistisch abzubilden“. Die Bewertung erfolgt auf Basis von Daten, die man von staatlichen Einrichtungen, NGOs und anderen bezogen hat – darunter sind die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Vereinte Nationen, Weltbank, Weltgesundheitsorganisation und amnesty international, aber auch die Stiftung Ökologie und Landbau. So findet man im Country Rating beispielsweise Aussagen zu den Themen Emissionen, Umweltbelastung, Energieverbrauch und Abfallaufkommen, aber auch zum sozialen Bereich und zu den sozialen Konditionen in den Ländern. Als Stichworte nennt Matthias Bönning Chancengleichheit und Diskriminierung, Gewerkschaften, Bildungs- und Gesundheitswesen sowie die Respektierung der Menschenrechte. Doch auch die Infrastruktur wurde bewertet: Wasserversorgung und Kanalisation, Versorgung mit Ärzten und Lehrern, Telefon und Internet.

Die „ersten Plätze des Rankings“ belegen dabei vier skandinavische Staaten. An der Spitze steht Norwegen, dem die Analysten „eine hervorragende Gesamtperformance“ bescheinigen. „Im sozialen Bereich besonders“ hervorzuheben seien: für europäische Verhältnisse geringe Staatsverschuldung, geringe Arbeitslosigkeit bei generell guten Arbeitsbedingungen.

Nicht mehr ganz so gut sieht es für Deutschland aus. Vor allem „Defizite im Bereich Bildung“ und „die hohe Arbeitslosigkeit“ verwiesen die Bundesrepublik im Vergleich der 31 Staaten auf Platz 12. Selbst im Umweltbereich blieben die Deutschen deutlich „hinter einer Vielzahl von OECD-Staaten zurück“, heißt es bei oekom, wofür unter anderem „die geringe Artenvielfalt und der niedrige Anteil geschützter Naturflächen“ als Beispiele genannt werden. Vorbildlich sei man hier jedoch beim Umgang mit knappen Ressourcen: „Bezogen auf die Wirtschaftsleistung hat das Land geringe Schadstoffemissionen sowie niedrige Abfallaufkommen.“

USA abgeschlagen

Hinsichtlich der CO2-Emissionen schneiden die USA schlecht ab: „Bezogen auf jede Einheit erzeugter Wirtschaftsleistung emittieren die Amerikaner dreimal so viel CO2 wie Österreich“ und sind „Spitzenreiter in diesem Feld“, fanden die Münchener Researchexperten heraus. Hinzu kämen ein „hoher relativer Wasserverbrauch“ sowie ein „geringer Anteil regenerativer Energien am Energiemix“ und kaum ökologischer Landbau. „Deutliche Schwachstellen“ zeigten sich außerdem, was die Achtung der Menschenrechte angeht: „Übermäßige Polizeigewalt gegenüber Schwarzen“ sowie die „noch immer praktizierte Todesstrafe“ werden genannt. Negativ schlugen auch die noch ausstehenden Zahlungen an die Vereinten Nationen sowie die Entwicklungshilfe zu Buche: „Während die USA als eines der reichsten Länder der Erde in den vergangenen Jahren nur 0,1 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Hilfsprojekte in Entwicklungsländern ausgaben, war es in Norwegen der neunfache Satz.“ Da kann auch die als „beispielhaft“ und „ausgeprägt“ bezeichnete Meinungs- und Pressefreiheit für Amerika nichts mehr retten: Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten landete auf Platz 17.

„Wie eine zukunftsfähige Gesellschaft aussehen könnte, deuten schon die modernen Industrienationen Skandinaviens an“, so Analystenchef Bönning zusammenfassend. Tiefer in die Details mochte er jedoch nicht gehen, was nicht verwundert – schließlich lebt die Agentur nicht davon, dass sie die Ergebnisse ihrer Analysen öffentlich verschenkt, sondern von deren Verkauf. Zielgruppe sind, schon allein aus Gründen des Preises, weniger die privaten Anleger. „Das Country Rating ermöglicht institutionellen Anlagern, ihre Staatsanleihen in Portfolios und Fonds nachhaltig auszurichten“, so oekom, seien doch festverzinsliche Wertpapiere immerhin „ein geeignetes Mittel, um die mit der Aktienanlage verbundenen Risiken auszugleichen“.

Dem Privatanleger bleibt also nur, den Fondsmanager ausgiebig nach den Gründen seiner Auswahl zu befragen, wenn er in einen Fonds mit internationalen staatlichen Titeln investiert.

ANDREAS LOHSE

oekom research AG, Goethestr. 28, 80336 München, Telefon (0 89) 54 41 84-90