Händels Affekte

■ Hochschulchor entdeckt Unbekanntes

Wer Georg Friedrich Händel nennt, meint vorerst seinen „Messias“. Obschon in der Händel-Renaissance in den letzten zwanzig Jahren sich auch in breiteren Kreisen die Existenz von fast vierzig alttestamentarischen Oratorien herumgesprochen hat, scheint noch immer zu gelten, dass „von keinem anderen bedeutenden Komponisten dem grossen Publikum ein so kleiner Ausschnitt seines Werkes bekannt“ ist, wie es der amerikanische Händelforscher Paul Henry Lang formulierte.

Auf schönste Weise trug jetzt der „Große Hochschulchor der Hochschule für Künste und der Universität Bremen“, wie die Gruppe etwas holperig heißt, dazu bei, diesen großen Händel mit einem ebenso unbekannten wie genialen Werk kennen lernen zu können. Seine 1736 entstandene Ode „Alexanderfest“ oder „Die Macht der Musik“, zu Händels Lebzeiten ebenso erfolgreich wie der „Messias“, basiert auf wohl einem der krausesten Libretti, die es gibt. Die historischen Personen Alexander, Timotheus, Thais haben mit der christlichen Heiligen der Musik, Cecilia,nichts zu tun, aber in einer geradezu an den Haaren herbeigezogenen Handlung ging es Händel einzig und allein um die Vorlagen für Affekte und eben die Macht der Musik. Da gibt es eine Klagearie über das Schicksal des persischen Königs Darius, da gibt es eine große Wutarie, da gibt es ein instrumentales Bild des Weckens mit einem auskomponierten Crescendo ohnegleichen, da gibt es Klangteppiche von außerordentlicher atmosphärischer Dichte. Der formale Einfallsreichtum dieser Partitur lag in bester Obhut bei Friederike Woebcken, die sich mit einer solchen Leistung, die so gar nichts studentisches mehr an sich hat, unüberhörbar nachhaltig einklinkt in die Oratorienkultiur in Bremen.

Die Frische der Stimmen mag so manchen erfahrenen Chorleiter vor Neid erblassen lassen. Fabelhaft auch Woebckens Entscheidung, sich für den Orchesterpart der Abteilung Alte Musik zu bedienen: die Zusammenarbeit mit Thomas Albert (Orchester) und Stephan Stubbs (Rezitative) sicherte ein farben- und gestenreiches Instrumentarium, das einmal mehr zeigte, dass diese Musik wirklich gut nur mit alten Instrumenten darzustellen ist.

Eine Riesenpartie ist die des Tenors, es war eine helle Freude, der fast heldischen Strahlkraft und blendenden Technik von Julian Podger zuzuhören. Und Heidrun Luchterhand betörte geradezu mit einem substanzreichen und vibratolosen Sopran. Schön, dass der Student Alexander Schmidt als Bass da gut mithalten konnte.Nicht endenwollender Beifall in der restlos überfüllten Kirche Unser Lieben Frauen. Ute Schalz-Laurenze