Qualitätsröntgen – und dann?

■ Auch beim Brustkrebs-Screening gilt: Wer röntgt, der findet. Aber: Senkt die Früherkennung die Sterblichkeit? Das sollten unabhängige Forscher beantworten können – die es leider nicht gibt

„50 Prozent aller Bremer Frauen ab 50 kommen zum Screening.“ So lautet jetzt die erste Zwischenbilanz des Brustkrebs-Screening-Modellprojektes in Bremen. Seit sechs Monaten lädt es Frauen zwischen 50 und 69 Jahren zur Röntgenreihenuntersuchung ein. Diese soll prüfen, wie qualitätsgesichertes Screening vielleicht bundesweit zur Brustkrebsfrüherkennung eingesetzt werden kann – und deutsche Daten auf die Frage liefern, ob die Überlebenschancen von Brustkrebserkrankten sich dadurch tatsächlich verbessern. Doch schon gibt es Zweifel an der ersten Erfolgsbotschaft. Der stammt ausgerechnet aus dem unabhängigen Beirat des Projektes selbst.

Beiratsmitglied Eberhard Greiser, zugleich Leiter des Bremer Instituts für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS), hält die jüngst veröffentlichten Daten für unlauter. Unter den angegebenen 1.878 Frauen aus mehreren Stadtteilen, die sich – nach Angaben aus dem Projekt selbst – bis Dezember haben röntgen lassen, seien schließlich rund 300, die erst noch kommen wollen. Jetzt schon von 50 Prozent Teilnahme zu sprechen, sei waghalsig. Noch mehr beschäftigt den Forscher aber, dass es für das Projekt keine unabhängige Begleitforschung gibt. In interner Runde kam es deshalb zum Eklat.

„Ich habe einen Ruf zu verlieren“, begründete Greiser gegenüber dertaz, warum er mittlerweile sogar erwägt, sich aus dem Projekt zurückzuziehen. Obwohl er hinter dem Ansatz des Screenings steht – mit seiner hochwertigen technischen Ausstattung, der Befundung der Röntgenbilder durch zwei Experten unabhängig voneinander, dem eigens ausgebildeten Personal sowie der Überwachung durch das Screening-Zentrum in Nijmegen. Doch sei es misslich, dass das Projekt schon seit einem halben Jahr Daten erhebe, ohne dass dahinter ein zureichendes Konzept stehe. Dabei könne ein schlauer Forschungsansatz sogar Anhaltspunkte für weitere, in Deutschland unterbelichtete Ansätze zur Brustkrebs-Prävention geben. „Das viele Geld muss doch vernünftig ausgegeben werden“, mahnt der Wissenschaftler. Die Kosten von rund 9,2 Millionen Mark zahlen überwiegend die Krankenkassen.

Die werden jetzt auch ungeduldig. „Es muss externes Qualitätsmanagement geben“, sagt Olaf Woggan, Vertreter der Krankenkasse AOK im Finanz- und Lenkungsausschuss des Modellprojektes. Die Finanzierung dieses von Anfang an verankerten Projektteils sei schließlich im Budget enthalten. „Die unabhängige Begleitforschung sollte möglichst schnell nach objektiven Kriterien vergeben werden“, sagt er. Einen entsprechenden Beschluss habe der Lenkungsaussschuss in seiner letzten Sitzung getroffen – offenbar nachdem sich die internen Querelen herumgesprochen hatten.

Ob dieser Beschluss Erfolg hat, bleibt abzuwarten. Das Bremer Gesundheitsressort jedenfalls hat schon Anfang Dezember den zuständigen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Köln schriftlich aufgefordert, die unabhängige Forschung zu regeln. Zuvor seien „viele Gesprächen auf allen Ebenen“ erfolglos geblieben, sagt Ressortsprecherin Heidrun Ide. Auf eine Antwort wartet die Bremer Behörde allerdings bis heute.

„Wir wollen das bis nächste Woche mit Köln geklärt haben“, sagt die Sprecherin des Bremer Projektes, Antonia Hanne. Sie wirbt um Verständnis. „Unser Tag hat auch nur 24 Stunden.“

Um das Projekt anlaufen lassen zu können, sei es vorrangig gewesen, die vom Datenschutzbeauftragten monierte Verwaltungssoftware zu verändern. Doch sei sie zuversichtlich, dass die Forschungsfrage bis spätestens Mitte Februar geklärt werde. Was die Erfolgsmeldung „50 Prozent kommen“ angehe, sei dies als Hinweis gemeint, „dass wir in Bremen akzeptiert werden“. ede