tabuloser teenagersex von IRA STRÜBL
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Teenager sind leicht stimulierbare Kreaturen. Nicht nur der Sexus, nein, auch sämtliches anderes Getriebe ist noch recht unbeherrscht, und so kommt es, dass Teenager sich unentwegt gegenseitig in die Seite stupsen und dabei kichern, als gäb’s kein Morgen.

Versandhauskataloge waren deshalb in meiner Jugend des Teenagers heimliche Freude. Nicht nur diente der Katalog dem allzu früh testosteronterrorisierten Teil der Spezies als preiswerte und relativ unverdächtige Wichsvorlage, in der ansonsten unerreichbares Weibsvolk still hielt und nicht „haha, Pickelfresse“ rief. Nein, auch erwarb der Teenager aus dieser Literatur viel seltsames Wissen, das zu seiner verschrobenen Weltsicht nicht unerheblich beitrug. Die verhaltene Semiotik des Quelle-Katalogs hat ganze Generationen von Jugendlichen in die sexuelle und anatomische Irre geführt.

Diese Zeiten sind, wie ich kürzlich lernen musste, endgültig vorbei. Nicht nur ist bei www.quelle.de nun unverhohlen von Vibratoren die Rede. Es gibt auch „In Sachen Liebe“ auf Sat.1. Diese Homeshopping-Sendung kann man getrost als Quelle-Katalog des neuen Jahrtausends betrachten. Wie ein grässliches Unfallspektakel breitet sich da die ganze Beklommenheit deutscher Lusthemmung aus. Wenn Model Wenzel im lüsternen Lackbody an der Luderstange lehnt, dann mag das ja der einen oder anderen noch eine Freude sein. Wenn allerdings die moderierenden Damen beginnen, ihre Gerätschaften im „Unter uns Pfarrerstöchtern“-Ton zu lobpreisen, dann ist kein Halten mehr, dann muss Oswald Kolle weinen – und ich verharre wie gelähmt vor dem Bildschirm.

Da wird gelockt und gegurrt, umschifft und umschrieben, dass es eine wahre Freude ist. Der „VIB 2000“ sei nun wirklich etwas für jede und jeden (und eben nicht nur für degenerierte Perverse). Am besten kaufe man gleich zwei, um es sich gegenseitig zu besorgen, pardon, sich zu verwöhnen. Und hier findet die Verschmelzung der Medien statt: Während im Quelle-Katalog der Jugend verschämt der Massagestab zur „Entspannung“ dargeboten wurde, indem eine Dame sich das Gerät versonnen dreinblickend ins Antlitz schmiegte – eine Pose, von der ich lange glaubte, sie sei restlos ausgestorben –, bekommen wir heute bewegte Bilder in der selben Tradition serviert. Tabulos wird etwa der Brustwarzenaufsatz vorgeführt: die Dame zur Linken fährt sich damit um den Halsansatz und an die Schläfe. Die Dame zur Rechten verirrt sich mit dem Aufsatz „Zunge“ kurz ans Dekolletee, um dann ebenfalls ihr Gesicht zu stimulieren. Mit Lob wird dabei nicht gespart, und wüsste man es nicht besser, man müsste glauben, es werde ein Quirl verkauft, schließlich, so versichert die Moderatorin, dürfe das Gerät in keinem Haushalt fehlen.

Ach, wäre ich doch wieder ein Teenager, nicht enden wollte meine Freude an dieser Sendung. Ich schriebe an Sat.1, sie sollen doch mal ein bisschen mehr Homeshopping-Aufklärung zeigen, weil ich es „total super finde, wie offen dort über alles geredet wird“. Und dann: kichern, kichern, kichern. Als gäb’s kein Morgen.