Embryonen auf Probe

Die Medizinethikerin Sigrid Graumann hat ein informatives Buch über „Die Gen-Kontroverse“ herausgegeben

Der Erfinder der Antibabypille, Carl Djerassi, hat eine Vision: Frauen und Männer legen mit zwanzig Jahren ein Biokonto an, auf dem ihre Eier und Samen tiefgefroren auf ihren Einsatz warten, lassen sich sodann sterilisieren, machen die große Karriere und werden mit 40 oder 50 Eltern – per künstliche Befruchtung ihrer jung gebliebenen Keimzellen. Das sei doch wirklich ein intelligenter Vorschlag zur Frauenförderung, glaubt der Chemiker. Das sei ein anschauliches Beispiel dafür, wie man(n) gesellschaftliche Probleme wie Frauendiskriminierung auf technokratische Art zu lösen versuche, meint hingegen die Journalistin Eva Schindele in dem neuen Band „Die Gen-Kontroverse“.

Gerade Akademikerinnen, so Schindele, schieben das Kinderkriegen immer weiter hinaus. Nicht wenige wollen diesen Zustand noch in der letzten Minute ihrer biologischen Uhr ändern und greifen dann, wenn es partout nicht klappen will, zur Reproduktionsmedizin. Die Prozeduren, die dann folgen, sind aufwendig, teuer sowie schmerzhaft – und die Erfolgsrate ist gering. Deshalb werde man versuchen, prognostiziert die Journalistin, diese lächerliche Erfolgsquote zu steigern, indem man die gesündesten Embryonen durch Genchecks in der Petrischale auswählt, also die Erzeugung von Embryonen auf Probe fördert. In Deutschland müsste dafür jedoch das Embryonenschutzgesetz aufgeweicht werden.

Schindeles Artikel ist einer von vielen interessanten Aufsätzen, die sich in der „Gen-Kontroverse“ finden. Herausgeberin Sigrid Graumann ist promovierte Biologin und Philosophin, also ausgestattet mit einer selten gewordenen natur- und geisteswissenschaftlichen Doppelqualifikation, dazu sitzt sie als Mitglied in der Bundestags-Enquetekommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ und ist im genkritischen Frauennetzwerk „Reprokult“ aktiv. Wie sie so äußern sich auch die meisten anderen im Buch versammelten AutorInnen kritisch über Gentechnik und Repromedizin.

Wer also seine Skepsis untermauern will, findet hier gute Argumente. Die US-Wissenschaftshistorikerin Lily E. Kay begründet in einem Aufsatz, warum der „genetische Code“ kein Code, das Genom kein Text und das Humangenomprojekt kein Lesen im Gottes Schöpfungsplan ist. Medizinethiker Dietmar Mieth erklärt, warum das Importieren von embryonalen Stammzellen gefährliche Folgen hat. Politologin Ingrid Schneider erläutert, warum man keine scharfe Grenze zwischen der bloßen „Nutzung“ von „überzähligen“ Embryonen und ihrer gezielten Erzeugung zu Forschungszwecken ziehen kann. Und Regine Kollek fühlt sich bei der Diskussion um mögliche Therapien durch Stammzellen an „archaisch-kannibalistische Praktiken“ erinnert. Zudem finden wir Johannes Raus Rede zur Gentechnik und die Stellungnahme der DFG zur Stammzellforschung.

Ein hilfreiches Buch also, das mit einem guten Glossar am Ende noch hilfreicher gewesen wäre. UTE SCHEUB

Sigrid Graumann (Hg.): „Die Gen-Kontroverse“, 192 Seiten, Herder Spektrum, Freiburg 2001, 9,90 €