AKW-Standort will Solarkommune werden

Mannheimer MVV Energie AG verhandelt um Ansiedlung einer Fabrik für Dünnschichtzellen in Obrigheim – ein Wettlauf der Subventionen

FREIBURG taz ■ Die Gemeinde Obrigheim, Standort des ältesten kommerziellen Atomkraftwerks in Deutschland, bemüht sich um die Ansiedlung einer Solarfabrik. Möglicher Investor ist die Mannheimer MVV Energie AG, die nach geeigneten Flächen für den Aufbau einer Fertigung von Silicium-Dünnschichtzellen sucht. „Obrigheim ist einer von mehreren Standorten, die von der MVV derzeit intensiv geprüft werden“, bestätigt MVV-Sprecher Roland Kress. Entscheidend dürfte sein, welche Stadt und welches Bundesland finanziell am meisten Entgegenkommen zeigen. Viel Zeit bleibt den Bewerbern nicht: Noch im ersten Halbjahr 2002 will die MVV die Standortentscheidung fällen.

Die Pläne des Mannheimer Versorgers, der gemessen am Stromabsatz an siebter Stelle in Deutschland steht, liegen im Trend. In Gelsenkirchen erweitert der Energiekonzern Royal Dutch/Shell die Produktionskapazität seiner Solarfabrik von derzeit 10 auf 25 Megawatt. Die deutsche Tochter der britischen BP baut unterdessen im niedersächsischen Hameln eine Solarfabrik mit einer Jahreskapazität von 20 Megawatt. Und auch die Freiburger Solar-Fabrik stockt ihre Fertigungskapazität von derzeit 10 Megawatt pro Jahr auf 15 Megawatt auf.

Die Firmen stützen sich auf einen boomenden Markt, der nach Schätzungen der Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft (UVS) 2002 bundesweit um weitere 25 bis 30 Prozent wachsen wird. Im vergangenen Jahr erzielte die Solarwirtschaft in Deutschland bereits einen Umsatz von 1,2 Milliarden Euro. Mehr als 20.000 Beschäftigte sind nach UVS-Angaben in Deutschland derzeit in der Solarbranche tätig.

Für die MVV Energie AG ergibt sich der Aufbau einer eigenen Solarzellenfertigung schlüssig aus der bisherigen Unternehmensentwicklung. Bereits im Dezember 2000 beteiligte sich der Energieversorger, der einst aus den Mannheimer Stadtwerken hervorging, zu einem Drittel an der Firma Energy Photovoltaics Inc. (EPV) in Princeton, New Jersey (USA). EPV produziert nicht nur Dünnschichtzellen aus amorphem Silicium, sondern entwickelt und baut auch die betreffenden Fertigungsstraßen. Die MVV Energie AG hatte sich mit dem Einstieg die alleinigen Rechte an der Nutzung der EPV-Technologie in Deutschland gesichert. Bei der in Deutschland geplanten Solarfabrik geht man im ersten Schritt von einer Produktionskapazität von 5 Megawatt jährlich aus, wodurch etwa 60 bis 80 Arbeitsplätze entstehen könnten.

Vor Ort in Obrigheim gibt man sich unterdessen optimistisch. „Wir haben hoch qualifizierte Arbeitskräfte aus der Energietechnik“, sagt Gerhard Lauth, Oberbürgermeister von Mosbach, „wie sind als Energiestandort profiliert.“ Lauth betreibt als federführender Wirtschaftsförderer von fünf Nachbargemeinden die Verhandlungen um das interkommunale Gewerbegebiet in Obrigheim. „Für uns wäre der Zuschlag wie ein Sechser im Lotto mit Zusatzzahl“, sagt Lauth. Denn nicht allein die Solarfabrik werde zahlreiche Arbeitsplätze schaffen: „Das imageträchtige Unternehmen drückt dem Standort einen innovativen Stempel auf und wird weitere Firmen anziehen.“

Offenes Geheimnis in der Branche ist unterdessen, dass die Standortentscheidung am Ende davon abhängen wird, wie sehr sich das Land Baden-Württemberg um die Ansiedlung der Solarfabrik in Obrigheim bemüht. Denn für einen alternativen Standort im Osten soll es bereits ein sehr gutes Angebot geben. Im Stuttgarter Wirtschaftsministerium ist wirkliches Engagement bisher trotzdem nicht zu erkennen: „Wir sind nur indirekt über dieses Thema informiert“, sagt eine Sprecherin.

BERNWARD JANZING