globalisierung konkret
: Serie zum Weltsozialforum in Porto Alegre, Teil 9

Machtlos gegen Eiertollas

„Ein kleiner Schritt für die Hennen, aber ein großer Schritt für Tierschutz und Verbraucher“, kalauerte Agrarministerin Renate Künast im Oktober. Der Bundesrat hatte gerade dem Verbot der Käfighaltung von Legehennen zugestimmt. Ein Tag wie die Mondlandung für die grüne Ministerin – eine Niederlage für die Hennen und die Arbeitsplätze in Deutschland, unkte die Lobby der Eierproduzenten. Denn nun würden die Eierfirmen eben auswandern.

Die großen Legefabriken flüchten tatsächlich in andere Länder. Aber nicht wegen Künast. Die Hühnerbranche ist der am meisten durchrationalisierte Agrarzweig und damit ein schönes Maß für die Machtlosigkeit heutiger Regierungen gegenüber flexiblen Firmen auch in anderen Branchen. Schon seit Jahren werden immer wieder neue Eierbetriebe in Billiglohnländern eröffnet. Zuerst waren das Standorte in Ostdeutschland, jetzt geht es weiter Richtung Osten. Denn dort sind nicht nur die Standards niedriger, sondern vor allem auch die Löhne. Ein tschechischer Facharbeiter verdient etwa 500 Euro im Monat, ein Landwirtschaftsarbeiter weitaus weniger. Damit können selbst noch die tierverachtendsten Standards hierzulande nicht mehr mithalten. Ein kurz hinter der Grenze gelegtes Ei ist um Pfennige billiger als ein bayerisches. Und der Transport der Ware kostet ja kaum was.

So baut zum Beispiel die norddeutsche Eierdynastie Pohlmann an der tschechisch-bayerischen Grenze über eine Subfirma eine Hühnerfarm samt Kükenaufzucht für Millionen Hennen. Doch wenigstens die EU-Standards holen die von Tierschützern als „Eiertollas“ geschmähten Pohlmanns wieder ein: Da Tschechien in den nächsten Jahren der EU beitritt, gelten dort bald die gleichen Tierschutz- und Umweltstandards – die Regierung hat die flüchtenden Unternehmen quasi eingeholt. REINER METZGER