Lustiges Geburtstagsraten

■ Sachbearbeiterinnen der Ausländerbehörde sollen künftig das Alter bei jungen Flüchtlingen schätzen

Einfache Verwaltungsangestellte sollen leisten, was selbst fachkundige ÄrztInnen nicht vollbringen können. Nach Plänen von Innensenator Ronald Schill sollen die SachbearbeiterInnen der Ausländerbehörde bei jungen Flüchtlingen künftig einschätzen, ob sie schon 21 Jahre alt sind (taz berichtete gestern). Dabei ist unter MedizinerInnen unumstritten, dass eine genaue Bestimmung des Alters eines jungen Menschen medizinisch nicht möglich ist. Die Ärztekammer Hamburg hatte im April vorigen Jahres festgestellt, dass „auch eine Untersuchung der Zahnentwicklung“, die gängigste Methode, keine Sicherheit bietet.

Die Altersgrenze ist strafrechtlich von Belang: Bis 21 Jahre gelten Angeklagte als „Heranwachsende“, die RichterInnen entscheiden im Prozess, ob sie nach Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden. Diese Entscheidung sollen nun die SachbearbeiterInnen der Ausländerbehörde unmittelbar nach der Einreise der AusländerInnen treffen – für den Fall einer eventuellen späteren Straffälligkeit.

Bisher ist den Verwaltungskräften bereits die Entscheidung überlassen, ob ein jugendlicher Flüchtling bereits 16 Jahre alt ist. Ausländerrechtlich gilt er dann bereits als erwachsen, wird nach einem Schlüssel übers Bundesgebiet verteilt oder in Hamburg auf den Wohnschiffen untergebracht. Nur wer höchstens 15 Jahre alt ist, wird pädagogisch in einer Jugendeinrichtung betreut. Das kostet. Fast routinemäßig zweifeln die SachbearbeiterInnen deshalb das Alter an, wenn jemand sich als unter 16 ausgibt. „Die Mitarbeiter sind durchaus in der Lage, so etwas zu beurteilen“, sagt Ausländerbehördensprecher Norbert Smekal. Dafür geschult seien sie nicht, aber in der Altersfeststellung durch bloßen Augenschein hätten sie bereits „jahrelange Erfahrung“.

Die alte rot-grüne Regierung hatte ein Verfahren entwickelt, wie mit Zweifelsfällen umzugehen ist: Auf Wunsch der Betroffenen konnten diese ihr Alter von ÄrztInnen abklären lassen. Dafür wurde eine Liste mit MedizinerInnen erstellt, die sich zu den Untersuchungen bereit erklärten. Auf der standen ursprünglich um die zehn Namen. Mittlerweile ist nur noch einer zu lesen: Der von Klaus Püschel, dem Direktor des Rechtsmedizinischen Instituts am UKE. Die anderen ÄrztInnen sind abgesprungen. Der Grund: Mindestens zwei von ihnen hatte die Ausländerbehörde strafrechtlich angezeigt, Vorwurf: „Ausstellung von Falschattesten“. Sie hatten nach der Untersuchung einzelner Flüchtlinge ihr Kreuzchen bei „unter 16“ gemacht.

Elke Spanner