Tödlicher Prozess

Hunderte Palästinenser stürmen Gerichtssaal im Westjordanland und erschießen die drei Angeklagten

RAMALLAH dpa/rtr/taz ■ Hunderte von aufgebrachten Palästinensern haben gestern ein Gericht in der autonomen Stadt Dschenin im Westjordanland gestürmt und alle drei Angeklagten eines Mordprozesses erschossen. Kurz zuvor waren zwei Männer zum Tode, der dritte zu 15 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden.

Vergeblich versuchten Polizisten, die Angeklagten im Toilettenraum des Gebäudes zu schützen. Die Angreifer drangen in den Raum ein und gaben zahlreiche Schüsse auf ihre Opfer ab. Die Menge zog die Leichen auf die Straße und feierte den Lynchmord mit Schüssen in die Luft.

Bei den Angreifern handelte es sich nach Berichten von Augenzeugen zumeist um Mitglieder palästinensischer Sicherheitsdienste und der Fatah-Bewegung von Jassir Arafat.

Die drei Männer waren angeklagt, vier Tage zuvor den palästinensischen Sicherheitsbeamten Osama Kmeil ermordet zu haben. Dieser hatte während der ersten Intifada der Palästinenser mehrere mutmaßliche Kollaborateure mit Israel erschossen, die seinem eigenen Familienklan angehörten. Auch die Angeklagten im Alter von 18, 21 und 38 Jahren waren Mitglieder des Kmeil-Klans in Dschenin.

Unterdessen kündigte die Demokratische Front für die Befreiung Palästinas (DFLP) in einem Flugblatt „furchtbare Vergeltungsschläge“ an. Die Organisation reagierte damit auf den Tod von fünf ihrer Mitglieder, die am Montag bei Rafah im Süden des Gazastreifens bei einer Explositon getötet worden waren. Die DFLP beschuldigte Israel, ihre Aktivisten von einem Kampfhubschrauber aus mit einer Rakete liquidiert zu haben.

Palästinenserpräsident Jassir Arafat bezichtigte Israel ebenfalls. Der Zwischenfall sei „ein Beweis, dass die israelische Regierung ihre militärische Eskalation gegen unser Volk fortsetzt“, hieß es in einer Erklärung Arafats in Ramallah. Auch die palästinensische Menschenrechtsorganisation LAW beschuldigte Israel der gezielten Tötung. Ihren Angaben zufolge hat die Armee seit Beginn der Intifada 62 Palästinenser liquidiert.