Music from the soul

■ Das nicht perfekte Leben ebenso repräsentieren: Songwriter Howe Gelb

Howe Gelb hat seine eigenen Ansichten: So bezeichnet er etwa seinen akustischen Schrammel- und Alternative Country als Soul Music. Auch hat er keine Probleme, eine geistige Verwandtschaft zwischen Jazz-Innovateur Thelonious Monk, Ur-Karohemdträger Neil Young und Leinwanddesperado Clint Eastwood auszumachen. Und er hat eine Abneigung gegen „competitive music“, also eine, die im weitesten Sinne dem Wettbewerbsprinzip untergeordnet ist – und deren „Wir sind die Besseren“-Denken sich leider auch in selbst erklärt alternativen Szenen vorfindet. Ja, Howe Gelb scheint ein Weirdo zu sein, begreift man ihn von der Welt der einfachen Zuordnungen aus: Da muss Soul nämlich schwarz sein, Clint und Monk gehören gänzlich disparaten Welten an und Konkurrenz findet sich nur im Mainstream.

Gerade von dieser dichotomen Welt aber hat sich Gelb schon lange verabschiedet. Was vor mehr als zwanzig Jahren mit Giant Sand und deren Wüstenrock-Blaupause begann, hat nach Arbeiten mit The Friends of Dean Martinez, Fruit Child Large und so weiter mittlerweile einen einmaligen Ausdruck gefunden – gerade in Gelbs Soloarbeiten. Seine letzten drei Veröffentlichungen – Hisser, Lull und Confluence –, im Heimstudio produzierte Low-Budget-Preziosen, spiegeln eindrucksvoll wider, welch großer Songwriter er tatsächlich ist. Da wundert es auch nicht, dass er gerade bei Kritikern und Musikern Begeisterungsstürme hervorruft. Nur Platten verkaufen, das scheint nicht so sehr das Ding von Howe Gelb.

Ironischerweise ist ihm der Erfolg verwehrt geblieben, den seine Giant Sand-Kollegen Joey Burns und John Convertino in den vergangenen Jahren mit Calexico feierten. Andererseits: Vielleicht ist ihm das sogar recht, steht er der Sache mit dem Erfolg ohnehin kritisch gegenüber. In einem Interview mit Graham Johnston im letzten Jahr sagte er: „I think the notion of success is fairly destructive.“ Ein weiterer Punkt, der zeigt, dass Gelbs Universum weit entfernt sein mag von manchen zeitgeistigen Diskursen. Dafür sich aber durch eine Offenheit auszeichnet, die bereit ist, nicht nur anders zu denken, sondern auch dementsprechend zu leben.

Gerade dies ermöglicht ihm wohl, das zu tun, was er tut: in seinem Haus in der Wüste von Arizona zu sitzen, Songs zu schreiben und diese allein oder mit Freunden aufzunehmen. Und dann, wenn er wieder mal ein Dutzend Lieder zusammengenäselt und gebrummelt hat, geht er eben auf Tour: mit seiner Stimme, seiner Gitarre und einem zum Sampler umfunktionierten Walkman, der nicht immer funktioniert oder sonst auch nur halbwegs das macht, was er soll. Aber wie sagt Gelb bezüglich (digitaler) Akkuratesse und Perfektion so schön: „Life is not like that. So why represent it that way?“

Gerd Bauder

Sonntag, 21 Uhr, Fabrik