Performance, Chat und Kochen

■ „Start Up ins Unbekannte“: Gespräch mit dem Projekt N.N., das ab morgen im Künstlerhaus Weidenallee gastiert

Professor Michael Haller lehrt Visuelle Kommunikation an der Hochschule für bildende Künste. Innerhalb des Studienganges hat sich das Ensemble „Projekt N.N.“ gebildet, das ab morgen bis zum 24. Februar mit Aufführungen und Radiosendungen, Chats und Konzerten im Künstlerhaus Weidenallee 10b zu Gast sein wird. taz hamburg sprach mit den Teilnehmern der „offenen Werkstatt“ über Medienökologie und Interdisziplinarität, Seh-, Hör- und Lustspiele, bedrängende Substanzen und die digitale Umwelt.

taz hamburg: Sie arbeiten innerhalb des Studienganges Visuelle Kommunikation in einem Fachgebiet, das den Namen „Medienökologie“ trägt. Was bedeutet dieser Begriff?

Michael Haller: Medienökologie ist wie Satire. Sie darf alles. Vor allem bin ich nicht außerhalb, ich bin mittendrin – Teil einer virtuellen Definition. Sexy gesagt, ein Start Up ins Unbekannte. Heißt anders, es handelt sich um einen interdisziplinär orientierten Studiengang, der sich tendenziell um alle möglichen Fragen kümmert. Eine mehrdimensionale Morphologie.

Ralf Kleinemas: Es geht darum, verschiedene Ansätze in den Disziplinen der Kunst in ihren Korrespondenzen und Gegenüberstellungen in Bezug auf andere Fragestellungen zu untersuchen. Zunächst geht es also um die Entwicklung adäquater Fragestellungen an die sich verändernde mediale Umwelt.

Vappu Kantola: Dabei geht es da nicht darum, erst ein Medium zu bestimmen, um dann im besten Fall damit arbeiten zu können, wie gewöhnlich – etwa Fachgebiet Film oder Fotografie –, sondern eher die verschiedenen Möglichkeiten kennenzulernen oder überhaupt zu beobachten und zu studieren.

Die nächsten zwei Wochen ist Ihr Projekt N.N. zu Gast im Künstlerhaus Weidenallee. Gibt es hierfür bestimmte Pläne und Entwürfe?

Monica Pantel: Es wird zum Beispiel ein Lustspiel geben, in dem es, einfach gesagt, darum geht, Gewichte durcheinander zu legen und dabei etwas über die Wahrnehmungsgestalt in Klang, Bild und Bewegung zu erfahren. Das Material ist halt der Alltag, Texte ...

Ruth Scheuer: Schwer konsumierbares Zeug ...

Korstaan Mahal: Wie wäre es zum Beispiel, wenn der Abriss und Wiederaufbau von Bürokomplexen allein aus klanglichen Aspekten motiviert ist? Das „Büro für Arbeit gegen Arbeit“ entwirft solche Szenarien. Es ist ein Versuch Orte zu simulieren, in denen Formen ohne Arbeit denkbar werden.

Anabela Angelovska: Jede Bewegung hat ja einen Klang. Wie bewege ich mich aber, wenn jede meiner Bewegungen durch akustische Verstärkung rückgekoppelt werden würde?

Kleinemas: Aber die Bedingungen bei der Erzeugung von Musik sind doch oft viel trivialer. Vorurteile sind näher an den Fragen. Sie sind jedoch oft verstellt und mit Interessen verbunden und verschweigen das. Durch Kontraste könnte das vielleicht klarer werden.

Welche Kontraste?

Kleinemas: Man könnte Prinzipien klassischer und Neuer Musik konfrontieren mit denen der bildenden Künste, wie es in der Veranstaltung am 21. Februar geplant ist. Vielleicht werden dadurch die Prinzipien auch insgesamt durchlässiger, auch für Nichtspezialisten.

Moritz von Woellwarth: Ich wiederum möchte versuchen, aus Rinderknochen Aufmerksamkeit zu filtrieren, am Ende also Essenzen, die bedrängen ...

Sonja Roczek: Ja, bedrängen ... Ein „Sehspiel“ verstehe ich nicht als Pendant zu einem Hörspiel, so wie man es kennt; es könnte vielmehr aus den Erfahrungen eines anderen Sprachraums wie der Gebärdensprache geschöpft werden, eine andere Form hervorbringen.

Scheuer: Oder wie kann ich durch einen Tanz einen Raum manipulieren? Ohne verliebt zu sein.

Gibt es bei all dem gemeinsame Vorstellungen oder Interessen?

Kleinemas: Das wäre unter anderem die Frage nach Kompetenz in einer zunehmend von digitalen Vorgängen bestimmten Umwelt, die einen Handlungszusammenhang zwischen innerer und äußerer Wahrnehmung noch immer behauptet, die Sinnzusammenhänge von Arbeit propagiert und dabei ganze Bevölkerungsschichten in Untätige verwandelt. Diese vollständige Infragestellung sämtlicher Fähigkeiten eines Menschen lässt natürlich andererseits die Kompetenzen der Tätigen als sehr fragwürdig erscheinen.

Haller: Ich möchte Eisenbahn spielen und Stockhausen treffen.

Interview: Sascha Demand

Eröffnung Vorsprechen: morgen, 19 Uhr; Aufführung Wenn der Peinlichkeitsschauer umschlägt in Bewunderung: morgen, 20 Uhr; bis 24.2., Künstlerhaus Hamburg e.V., Weidenallee 10b.

Alle weiteren Termine unter: www.medienoekologie.de , www.kuenstlerhaushamburg.de ; Link zum Chat: www.filmmedianet.com/chat ; Hotline: 0171-6128189