Hinterherdenken

betr.: „Ein Nachkriegsgesamtkunstwerk“ (Die Knef ist tot) von Jan Feddersen, taz vom 2. 2. 02

Lieber Jan, deinen Knef-Artikel fand ich ziemlich gut, getoppt eigentlich nur von Martenstein im Tagesspiegel, aber im Prinzip könntet Ihr voneinander abgeschrieben haben. Bei ihm kommt, was ich wichtig finde, der „Geschenkte Gaul“ ausführlicher vor, ein unglaublich lakonisches Buch, damals von der Literaturkritik so gut wie ignoriert, und vor allem als zeitgeschichtliche Darstellung nicht ernst genommen. Das hat mich immer geärgert.

Die taz ist oder war übrigens in besonderer Weise mit der Knef verbunden. Nämlich sitzend, quasi Hintern auf Hintern. Über Jahre fläzten sich die Setzer und Korrektösen auf ihrer alten 60er- Jahre-Couch herum, kleckerten Kaffee auf das Polster und grabbelten die mit roten Holztürmchen endenden Seitenlehnen ab. Und das kam so:

Als ich 1989 die eheliche Wohnung in Kassel verließ, um wieder in die Suarezstraße zu ziehen, besaß ich natürlich keine Möbel mehr. Eine Hundebekannte im Park erzählte mir, dass ihr Vater gerade gestorben sei, und sie jetzt einen kompletten Haushalt aufzulösen habe, einen Haushalt allerdings, der nicht auf den Müll, sondern in liebevolle Hände müsste, denn der ganze Kram sei vormaliger Knef-Besitz. Ihr Vater wäre ihr Kalfaktor gewesen, habe sie insbesonders in ihrer Alkoholphase intensiv bevatert, und als diese Phase beendet war, habe die Knef den ganzen Mist verbrennen wollen, weil sie ein neues Leben in einer neuen Wohnung plante, also auch weg mit der unschuldigen 60er-Jahre-Couch, an der sie sich festgehalten hatte, wenn sie wieder mal zitterte und nach einer neuen Flasche schrie. Der Kalfaktor und Vater der Hundefreundin war sentimental, verehrte die Knef natürlich unerhört, nahm wenigstens die Möbel zu sich, lebte mit und auf ihnen noch zwei einsame Jahrzehnte.

Aber dann starb er, und die Möbel gehörten doch mal der Knef. Also landeten drei altrosa Sesselstühle und die arme, abgegrabbelte Möbel-Hübner-Braune-Streifen-Design-Couch bei mir. Etwa 1995 hatte ich von meinem taz-Gehalt genug abgezwackt, um mir eine neue gebrauchte Couch zu kaufen, eine die nicht so durchgesessen und so mit Whiskeyflecken bekleckert war, wie das Erinnerungsstück aus dunklen Jahren.

Aber ich war auch sentimental und verehrte die Schriftstellerin Knef, also bot ich sie Michael Mussotter, dem damaligen Setzerchef, mitsamt der Story an, und der Knef-Fan kam schon am gleichen Abend, packte sie in den Lieferwagen und ab. Dann stand sie – bis zu meinem taz-Abgang 1999 – gleich links am Eingang zum Setzerraum im zweiten Stock. Und vielleicht steht das rührend-hässliche Ding da immer noch, und niemand weiß mehr, welche Geschichte es um sie gibt. Und auf den Stühlen sitze ich immer noch, und wenn ich einmal reich bin, lasse ich sie in neuem altrosa Samt beziehen. ANITA KUGLER, Berlin

Lieber Jan und guten Morgen und am Freitagabend geriet ich vor dem Fernseher in eine Art Endlosschleife von filmischen Porträts über Hildegard Knef und, obwohl in ihrer Art recht unterschiedlich, waren sich doch alle Autoren einig, dass ihr Leben ein ausgefülltes und an Ereignissen, solchen und solchen, reiches sei bzw. ja nun gewesen sei. Anderntags las ich deinenText. Und nun mein Hinterherdenken: Könnte es sein, dass dies fortgesetzte Auf und Ab, dies Fallen und wieder Aufstehen, dies unablässige Waten in Gefühl und Emotion nicht letztlich reichlich öde war? Könnte es sein, dass sie nie absichtslos und ohne Erwartung war? Könnte es sein, dass sie nie unter einer Markise bei einem Glas Wein gesessen hat, während es regnete? RICHARD NÖBEL, Berlin