Den Bayern die Meisterschaft geklaut

FC St. Pauli 2, Bayern 1: Schills Bayern-Hype gebremst  ■ Von Oke Göttlich

Der FC St. Pauli hat wieder was zu verlieren. Mit einem 2:1-Erfolg über den Weltpokalinhaber FC Bayern München hat St. Pauli den letzten Tabellenplatz an den 1. FC Köln übergeben. Selbst nach Spielende konnten die im Stadion verbliebenen Fans kaum fassen, was geschehen war. „St. Pauli hat uns in der ersten Hälfte an die Wand gespielt“, frotzelte Bayern-Coach Ottmar Hitzfeld. Die paralysierten Supporter riefen nach Trainer Dietmar Demuth (“Mit Didi in die Champions League“) und ließen ihn im Mittelkreis die Welle zelebrieren. Nicht nur der Coach war nach dem ersten Sieg über die Bayern am Millerntor den Tränen nahe.

Zumal er, vor Anpfiff selbst skeptisch, nur von „Schadensbegrenzung“ sprechen wollte: „Das wird unser leichtestes Spiel der Saison. Wenn wir verlieren, haben wir die Erwartungen erfüllt“, versuchte Demuth die bekannte Underdog-Rhetorik für Motivationszwecke im aussichtslosen Abstiegskampf zu beanspruchen. Doch als Bezwinger des Champions League-Siegers muss Demuth nun über neue rhetorische Spitzen nachdenken, um seine Spieler erneut so starkzureden wie gegen Bayern.

Auch Hitzfeld wird sich nach dem Spiel überlegt haben, wie sein Team dazu gebracht werden könnte, sich künftig nicht nur auf seiner spielerischen Überlegenheit auszuruhen. „“Wir haben die komplette erste Halbzeit verschlafen und waren sehr schwach in den Zweikämpfen“ ärgerte sich Hitzfeld. Ein Beleg dieser Aussage lieferte die Szene zum 1:0 für St. Pauli. Willy Sagnol ließ sich vom fitgespritzten Marcel Rath auf der rechten Abwehrseite überlaufen und griff genauso wenig an, wie der aus der Innenverteidung herauseilende Thomas Linke. Die Flanke in den Strafraum erreichte den entfesselt aufspielenden Ex-Löwen Thomas Meggle, der sich geschickt um Robert Kovac wand und den Ball im Netz von Oliver Kahn unterbrachte.

St. Pauli wirkte wacher, was spektakuläre Pirouetten um träge Bayern-Abwehrspieler demonstrierten. Doch diesem Problem konnte sich Hitzfeld nicht widmen, da auch die Offensivleistung der Bayern kaum UI-Cup-tauglich war. „Wir hätten nach vorne viel energischer spielen müssen“, sagte Hitzfeld, der nach der Pause mit Mehmet Scholl, Sergio und Elber versuchen wollte, den Rückstand zur Halbzeit (0:2) noch auszugleichen. Doch selbst diese Variante der Bayern führte erst in der 79. Minute zur ersten Torchance durch Scholl und erst zu spät zum Ehrentreffer durch Sagnol (88.).

„So wie wir momentan spielen, wäre es vermessen, über die Meisterschaft zu sprechen“, sagte Karl-Heinz Rummenigge sichtlich unzufrieden. Demütigende Worte vom und über den Weltpokalsieger (“Die gezeigte Leistung war nicht ausreichend, um hier zu bestehen“, so Hitzfeld) waren die einzigen des Gastes. Selbst Uli Hoeneß sagte als Tabellenfünfter lieber gar nichts. Die St. Pauli-Supporter sprachen dafür um so lieber im Namen des Bayern-Managers: „Uli Hoeneß fordert: Schill zum Haartest“, war auf einem Transparent zu lesen. Selbiger hätte sich sicherlich ein anderes Ergebnis als Willkommensgruß seiner 20 bayrischen Leihpolizisten gewünscht. Aber auch das geriet im Siegesrausch zur Nebensache. Unter dem Motto: „Und so spielt ein Absteiger“ freuten sie sich spitzzüngig über einen der zwei wichtigen Siege (fehlt noch der gegen den HSV) und wollten nur noch das Team sehen und Katja Ebstein hören: „Wunder gibt es immer wieder“.

Danke:

Henzler - Stanislawski, Gibbs, Berre (Trulsen) - Kientz, Bajramovic, Rahn, Kovalenko, Meggle - Patschinski, Rath (Bariz); Demuth, Philipkowski, den Fans u.v.a.