Das Wachsen des Wasserflecks

Wiederholung ist das Gesetz der Angst: In „Dark Water“ (Panorama) findet Hideo Nakata gelungene Bilder böser Räume

Von DETLEF KUHLBRODT

Am Anfang von Hideo Nakatas „Dark Water“ steht die Krise einer jungen Mutter: Yoshimi hat sich von ihrem Mann scheiden lassen. Ihr Exmann – ein Prototyp des Angestellten, wie man ihn aus japanischen Filmen kennt – ist ziemlich eklig. Im Streit um das gemeinsame Kind erzählt er auf dem Amt von einer lang zurückliegenden psychischen Störung seiner Exfrau, die das Sorgerecht nur vorläufig bekommt.

Yoshimis Ausgangslage für ein neues Leben ist also ziemlich fragil. Sie sucht eine neue Wohnung und landet in einem heruntergekommenen Mietshaus, in dem sie ein Apartment mietet, dessen Nachteile sie erst nach dem Einzug bemerkt. Der Kontrast zwischen den schönen, sauberen Möbeln, dem Optimismus, den sie ihrer Tochter Ikuko zu vermitteln sucht und dem Wasserfleck an der Decke, der immer größer wird, bis dann dreckiges Wasser heruntertropft, ist ergreifend. In der Nacht hört man Kinderschritte in der angeblich leeren Wohnung über dem Apartment. Hausmeister und Hausverwalter weigern sich, den Wasserschaden zu beheben. Oft verschwindet die Tochter auch und Yoshimi findet auf der panischen Suche nach ihr auf dem Dach des Hauses immer dieselbe kleine rote Mädchenhandtasche, die sie immer wieder beim undurchsichtig lustlosen Pförtner abgibt, der sie zunächst widerwillig annimmt, um sie dann in die Mülltonne zu werfen, wo Yoshimi sie wiederfindet, denn die Wiederholung ist das Gesetz der Angst.

Wie die meisten Gruselpsychofilme spielt „Dark Water“ auf verschiedenen Ebenen: Unter der Gegenwart liegt eine andere Zeit, die Einfluss nimmt, die – wie die zurückliegende psychische Erkrankung oder in Zusammenarbeit mit ihr – zur Gegenwart drängt. Vielleicht ist es auch nur der Exmann, der seine Frau zusammen mit einem Anwalt in den Wahnsinn treiben will. Vor Jahren jedenfalls, so erfährt Yoshimi in dem Kindergarten, in dem sie Ikuko anmeldet, sei ein kleines Mädchen in der Gegend verschwunden. Die Zeichnungen dieses Mädchens hängen noch im Kindergarten.

Es hilft ihr nicht viel, dass Yoshimi endlich Arbeit findet als Korrekturleserin in einem Mangaverlag, eher schadet es ihr. Als sie einmal länger auf Arbeit bleiben muss, ist der Kindergarten schon geschlossen, ihr Mädchen wartet einsam auf der leeren Straße und ihr Exmann, der ihr hinterherspioniert, hat wieder einen Punkt gemacht im Kampf um das Sorgerecht. Immer öfter verschwindet Ikuko, immer größer wird der Wasserfleck an der Decke. Ab und an kommen Déjà-vus aus der vernachlässigten Kindheit der Heldin vorbei.

Manchmal, wenn die Mutter die Tochter sucht, im heruntergekommenen Treppenhaus oder auf dem Dach, meint sie, ganz kurz nur, ein rotes Regenmäntelchen zu sehen. Schließlich will sie ausziehen. Um das zu verhindern, kümmern sich die Hausbesitzer endlich um den Wasserschaden, die Wohnung wird frisch renoviert. Dann gibt es ein so spektakuläres wie actionreiches Finale mit viel Geschrei und Schockeffekten.

In seiner schleichend paranoiden Atmosphäre liegt „Dark Water“ irgendwo zwischen „Ekel“, „Mieter“ und „Wenn die Gondeln Trauer tragen“. Interessanter allerdings als das übertriebene Finale sind die gelungenen Bilder böser Räume.

„Honogurai Mizuno Sokokara“. Regie: Hideo Nakata. Japan 2001, 101 Min.