„Hätte gebrannt wie Zunder“

In der Nacht zum 1. Februar schleuderten drei Rechte Brandsätze auf einen türkischen Imbiss in Hellersdorf. Nur durch Zufall wurde niemand verletzt. Der Betreiber vermisst öffentlichen Protest

von HEIKE KLEFFNER

Das braune Holzschild „Döner-Imbiss“ mit den selbstgemalten roten Buchstaben ist von der Straße kaum zu erkennen. Der „Palast“-Imbiss duckt sich mit seinen bunt besprühten Wänden hinter einem grauen Flachdachbungalow und den Hellersdorfer Plattenbauten in eine Ecke auf dem Parkplatz des benachbarten Supermarktes an der Gothaer Straße. Seit vier Jahren verkauft Satilmis Y. hier Döner, „ohne dass irgendetwas passiert wäre“. Der vorletzte Versuch, den Imbiss anzuzünden, war vor seiner Zeit.

Doch seit Ende letzter Woche arbeitet er mit gemischten Gefühlen in der kleinen Holzbude mit dem Plastikvorhang, der die Tür ersetzt. Begonnen habe der Stress schon am Mittwoch, als ein Kunde ihm kommentarlos einen handgeschriebenen Brief überreichte. „Wir machen alle bald dicht, du Kanake“ stand da in beinahe unleserlicher Schrift. Satilmis Y. nahm die Drohung nicht ernst. Knapp 24 Stunden später, 30 Minuten nach Mitternacht, flogen dann drei Brandflaschen in seinen Imbiss. „Die erste traf eine Kundin, die mit dem Rücken zum Eingang stand, und fiel dann auf den Boden“, berichtet er gefasst. Nur durch Zufall entzündete sich das Benzingemisch in der Flasche nicht. Ein anderer Gast reagierte geistesgegenwärtig und kickte den Brandsatz aus dem Imbiss. Kurz darauf traf eine zweite Flasche den Türpfosten. Die brennende Flüssigkeit breitete sich auf dem Asphalt vor der Holzbude aus.

Satilmis Y. kann nicht verstehen, dass die Täter bewusst den Tod seiner Gäste in Kauf nahmen. „Dass in dem Imbiss noch zehn Leute waren, konnte man von außen doch an den lauten Stimmen und Gesprächen hören“, sagt er. Dann deutet er auf den Plastikteppich, die Holztheke, das Plakat von FC Union und die Kiefernplattenwände. „Das hätte wie Zunder gebrannt.“ Zwei Tage habe er gebraucht, um sich zu beruhigen, sagt der 39-Jährige. Er war zehn Minuten vor dem Anschlag nach Hause gegangen, und hatte seinen Laden an eine Aushilfe übergeben.

Angst habe er nicht, sagt er ruhig. Schließlich arbeite seine ganze Familie in Imbissen im Ostteil der Stadt. Seine größte Sorge ist, dass seine Stammkunden jetzt aus Angst wegbleiben und ihr Feierabendbier bei der Konkurrenz ein paar hundert Meter weiter trinken. Und er kann nicht vestehen, dass es bislang kaum öffentliche Reaktionen auf den Anschlag gab.

Dass die mutmaßlichen Täter überhaupt gefasst wurden, verdankt Satilmis Y. einem seiner Kunden. Der rannte den drei jungen Männern hinterher und alarmierte die Polizei, die die Männer kurz darauf festnahm.

Zwei von ihnen, ein 19-jähriger Berliner und ein 21-jähriger aus Oschersleben in Sachsen-Anhalt, sitzen seitdem in Untersuchungshaft. Ein 16-Jähriger wurde nach dem Jugendstrafrecht von der Haft verschont. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen versuchten Totschlag und versuchten Mord vor. Weitere Einzelheiten will sie nicht mitteilen, „um die laufenden Ermittlungen nicht zu gefährden“. Kein Zweifel besteht hingegen an dem Tatmotiv „Ausländerhass“.

Laut Informationen der Berliner Morgenpost sollen die Täter nach ihrer Festnahme erklärt haben, sie wollten „einmal ein Kanakenhaus brennen sehen“. Sowohl der 19-Jährige, der von den Sicherheitsbehörden dem Spektrum der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) zugerechnet wird, als auch der 21-Jährige sind einschlägig polizeibekannt.

Keine Zusammenhänge sehen die Behörden jedoch zwischen den rassistischen Gewalttaten in der letzten Woche im Bezirk. Der Angriff auf die libanesischen Frauen in der Straßenbahn sei als „alkoholbedingte Spontantat“ zu werten, der Brandanschlag auf den Imbiss sei geplant gewesen. Auch sei Hellersdorf kein absoluter Schwerpunkt für rechte Aktivitäten.

Einen anderen Eindruck haben nichtrechte Jugendliche im Bezirk. „Seit einigen Monaten beobachten wir, dass Naziskins sich wieder offensiver im Stadtteil bewegen“, sagt Jürgen Gäbler vom Infoladen „Wort und Tat“. Er will sich nicht festlegen, ob das an den Aktivitäten der hier aktiven Neonazikameradschaften liegt oder „ein typisches Jahreszeitenphänomen“ ist. Zumindest die „Kameradschaft 1375“, die sich nach dem Gründungsdatum der Ortschaft Hellersdorf benannt hat und neben einem Kern von einem Dutzend Rechtsextremisten auch viele jugendliche Mitläufer mobilisieren kann, wird von den Behörden „als durchaus aktiv“ beschrieben.

Hellersdorfs Bürgermeister Uwe Klett (PDS) kämpft derweil um das Image des Bezirks, in dem unter 260.000 Einwohnern lediglich 3 Prozent Migranten zu finden sind. Andere Bezirke hätten die gleichen Probleme mit rechter Gewalt, sagt Klett, und zeigt sich verärgert über die Warnung der Ausländerbeauftragten Barbara John, Berlins Randbezirke in den Abendstunden nicht alleine zu besuchen. Schließlich gäbe es in Hellersdorf eine Reihe von Netzwerken und Initiativen, die offensiv gegen Rechts aktiv wären, sagt Klett. Er will durch Besuche bei den Betroffenen ein Zeichen setzen, denn „dass viele einfach bei Angriffen wegsehen, macht mich betroffen“.