■ H.G. Hollein
: Kültürbeauftragt

Die Zeitung, für die ich schreibe, hat mich wissen lassen, ich möge zur 100-Tage-Bilanz des Senats mein dieswöchiges Elaborat nach Möglichkeit kulturell anlegen. Kein Problem. Was nun aber könnte kultürlicher sein als das Entwickeln eines Begriffes gemäß seiner grammatikalischen Potenz? Und um noch eins draufzusetzen, spiele ich das Ganze am besten gleich auch noch à la Multikulti, das heißt im Zeichen der türkischen Vokalharmonie durch. Also: Kultur – türkisch Kültür. Kulturdezernent – Kültürmüdür. Kulturdezernentenbüro – Kültürmüdürlügü (wobei letzeres schon die verkürzte Form der Genitiv-Possessivkonstruktion ist und eigentlich Kültürmüdürlügünün heißt). Aber weiter: Mein Kulturdezernentenbüro – Kültürmüdür- lügümin (ü bedingt bei der Suffixbildung e, i oder ö, entsprechend folgt auf a ein o, u oder ein stummes i, das ohne den Punkt drauf). Daraus leitet sich bei einer örtlichen Zuweisung ab: in meinem Kulturdezernentenbüro – Kültürmüdürlügüminde. Nun lässt sich selbige Konstruktion natürlich auch als Frage formulieren: In meinem Kulturdezernentenbüro? – Kültürmüdürlügümindemi (wobei die Stimme auf der letzten Silbe hochgeht). Rein grammatikalisch ließen sich die Dezernenten und ihre Büros jeweils auch noch in den Plural setzen, das wären dann die Kültürmüdürler oder Kültürmüdürlügüler. Denkbar wäre auch eine Verbindung von beiden – Kültürmüdürlerlügüler, aber ich glaube, diese Möglichkeit wird selbst im ausgefeiltesten Amtstürkisch nicht wahrgenommen. Wie dem auch sei, Kultur ist nun einmal das, was in der Natur nicht vorhanden ist, und dazu gehören Dezernenten und ihre Büros allemal. Ich hoffe, dass ich mit diesen Ausführungen den Vorgaben der Kültürredaktörler (nicht ganz rein, die Vokalharmonie, aber bei Lehnworten geht das) einigermaßen entsprochen habe. Leid tut mir nur die arme Korrekturleserin. Deshalb sei hier festgehalten: An etwaigen verstolperten Üs trage ich ganz allein die Schuld.