Haarscharf am Abgrund

Nach neuen Kokainvorwürfen: Schill kündigt Haartest an und beschimpft rüde die Panorama-Redaktion  ■ Von Peter Ahrens und Heike Dierbach

Der Innensenator geht zum Test: Schon in der kommenden Woche will Ronald Schill eine Haarprobe abgeben, um dem Vorwurf des Kokainkonsums zu begegnen. Das sagte er gestern im Rathaus – und kündigte gleichzeitig Strafanzeige gegen das NDR-Magazin Panorama und den anonymen Zeugen an, der in der Sendung vom Donnerstag ausgesagt hatte, ihn bei der Einnahme eines „weißen Pulvers“ beobachtet zu haben (Bericht S.7). Der Haartest, so Schill, werde unter notarieller Aufsicht vorgenommen, damit „nicht dieselben Kreise, die uns diskreditieren, auch die Haarprobe vertauschen“. Bürgermeister Ole von Beust (CDU) begrüßte diesen Schritt.

Ansonsten reagierte der Innensenator auf den Panorama-Bericht wie ein angeschossener Tiger: Schill titulierte die Sendung als „Schweinemagazin“, deren JournalistInnen als „Dreckschleudern, denen das Maul gestopft gehört“. Der NDR wies die Vorwürfe zurück: „Wir haben uns journalistisch nichts vorzuwerfen“, sagte Panorama-Chefredakteur Kuno Haberbusch. Auch der Vorwurf Schills, der Zeuge habe Geld erhalten, sei „völlig absurd“. Motiv des Schill-Partei-Mitgliedes sei vielmehr gewesen, dass er das Renommee der Partei gefährdet sieht. NDR-Intendant Jobst Plog warnte: „Unser Haus wird sich durch Herrn Schill in keiner Weise einschüchtern lassen.“ Wegen der rüden Wortwahl erwägt der Sender nun seinerseits rechtliche Schritte gegen den Senator. Der Sprecher der Deutschen Journalisten Union in ver.di, Fritz Gleiß, sagte, Schills Sprache spiegele sein Denken: „Eine Gefahr für jede Demokratie.“

Währenddessen wirft sich Dirk Nockemann, stellvertretender Parteichef und Büroleiter Schills, für seinen Boss in die Bresche. Die Vorstellung, dieser habe offen Drogen genommen, „kann wirklich nur der dunklen Fantasie eines Panorama-Redakteurs entspringen“. Auch Fraktionschef Norbert Frühauf weiß genau Bescheid: „Senator Schill nimmt keine Drogen.“

Auch die Staatsanwaltschaft hat sich inzwischen eingeschaltet. Man werde den NDR zur „Übersendung der Unterlagen auffordern“, kündigte der Leitende Oberstaatsanwalt Martin Köhnke an. Es handele sich jedoch noch nicht um förmliche Ermittlungen.

Der NDR erklärte gestern zwar, man werde „alles rechtlich Gebotene tun“. Haberbusch stellte aber klar: „Wir haben dem Informanten nicht gestern Anonymität zugesichert, um heute seine Identität preiszugeben.“ Die Redaktion halte den Mann für hundertprozentig seriös, seine Eidesstattliche Versicherung ist bei einem Notar hinterlegt worden.

Die CDU hat sich offiziell darauf verständigt, vorrangig den NDR zur Nennung des Namens des Informanten aufzufordern. Fraktionschef Michael Freytag und Bürgermeister Ole von Beust verkündeten gleichlautend, dass „Herrn Schill dadurch die Gelegenheit gegeben wird, die Vorwürfe aus der Welt zu schaffen“. Auffällig war gestern, wie dürr die Erklärung von Beusts ausfiel, die er nach einem Treffen mit Schill abgab. Worte der Rückendeckung, wie sie der Bürgermeister seinem Stellvertreter noch am Mittwoch in der Bürgerschaft gegeben hatte, fehlten gänzlich. Auch in der CDU-Fraktion mehren sich Stimmen, die mit dem Innensenator ungeduldig werden.

Während die FDP nach wie vor von Zweifeln an der Integrität Schills unbeirrt ist und ihr Fraktionschef Burkhardt Müller-Sönksen sich gestern „erschüttert“ gab, dass „ein unbescholtener Bürger genötigt wird, eine Haarprobe abzugeben“, hielten sich gleichzeitig SPD und GAL mit ihren Attacken zurück. Die Strategie des Senates, jede Kritik der Opposition an Schill als das Instrumentalisieren von „Kolportage, Klatsch und Tratsch“ (von Beust) zu geißeln, scheint Wirkung zu zeigen. SPD-Parteichef Olaf Scholz und GAL-Fraktionschefin Krista Sager betonten gestern übereinstimmend: „Die Unschuldsvermutung gilt auch für Herrn Schill.“

Beide verlangten allerdings eine Aufklärung der Vorgänge. So verwies Sager auf die „Ungereimtheiten“ in den Aussagen Schills zu seinen privaten Bodyguards im Wahlkampf und zum Rücktritt des Leiters des Landeskriminalamtes, Gerhard Müller. Schill hatte stets behauptet, Müllers Demission habe „rein persönliche Gründe“ gehabt. Die Welt hatte dagegen gestern den Brief Müllers an die Behördenleitung veröffentlicht, in dem er seinen Rücktritt unter anderem mit schweren Meinungsverschiedenheiten mit Schill in Bezug auf den Brechmitteleinsatz gegenüber mutmaßlichen Drogendealern begründet.

Der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, nimmt denn auch Müllers Rückzug als Beleg, dass es für die Vorwürfe gegen Schill „einen ernsthaften Hintergrund“ gebe: „Wenn so ein vorzüglicher Beamter kein Vertrauen in den Senator hat, dann muss man das Ernst nehmen.“ Auch dass Schill sich von Bodygaurds aus der Türsteherszene beschützen ließ, lässt Freiberg die Haare zu Berge stehen. „Er lässt sich von denselben Leuten bewachen, die auch für das kriminelle Milieu als Personenschützer auftreten. Das sagt doch schon viel aus.“