Der größte Coup seiner Laufbahn

Heribert kehrt zurück – Comeback eines Gewaltmenschen – Skandal bei Sotheby’s – Wirbel um falsches Ohr

Es war still geworden um Heribert Lenz, den „Gewaltmenschen“ von Frankfurt, der eine Zeit lang als selbst ernannter „Parkmeister“ und „Cartoonist“ von sich reden gemacht hatte. Nach mehreren schweren Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz und das Recht auf Eigentum und körperliche Unversehrtheit setzte sich Lenz 1999 mit einem silbergrauen Mittelklassewagen nach Belgien ab – und ward nicht mehr gesehen. Mal hieß es, Heribert habe sich in Straßburg mit gefälschten Wahlunterlagen eine neue Existenz als Vertreter einer schottischen Splitterpartei im Europaparlament aufgebaut. Dann wieder sollte er im brasilianischen Marktflecken Tabatinga im Amazonasgebiet bei dem Versuch, eine Gummifabrik in Brand zu stecken, ums Leben gekommen sein. Ein anderes Gerücht besagte, dass ein dicklicher „Flitzer“, dessen Phantombild Heribert wie aus dem „Gesicht“ geschnitten sei, auf der Chinesischen Mauer Angst und Schrecken verbreite, ohne von der Polizei gefasst werden zu können.

Nichts von alledem ist wahr. In Wirklichkeit hatte Heribert Lenz sich in der französischen Stadt Montpellier niedergelassen, wo er nach Ermittlungen von Europol unter Zuhilfenahme eines Pürierstabs auf grausame Weise einen gebrechlichen Kunsthändler ermordete, um dessen Geschäft übernehmen zu können. Anschließend bereitete Lenz den größten Coup seiner Laufbahn vor: Er wollte bei Sotheby’s das abgeschnittene Ohr von Vincent van Gogh versteigern lassen. Am Freitag vergangener Woche sollte das berühmte Ohr, eingelegt in Formalin und versehen mit zahlreichen Zertifikaten zur Beglaubigung seiner Herkunft, zu einem Millionenpreis an den Meistbietenden verkauft werden, doch Heribert Lenz machte sich bei der Auktion durch übertriebenen Ehrgeiz selbst einen Strich durch die Rechnung.

Vielleicht wäre alles glatt über die Bühne gegangen, wenn Heribert Lenz nicht persönlich erschienen wäre mit einem turbanartigen Kopfverband, durch den bereits bei Beginn der Veranstaltung Blut sickerte. Als die Gebote für das Ohr zunächst nur zögernd erfolgten, geriet Lenz in Wut, schlug ein Mitglied des minoren britischen Landadels nieder und verwickelte sich in eine Rauferei mit zwei Saalordnern, wobei er seines Kopfverbands verlustig ging. Darunter kam ein verstümmeltes Ohr zum Vorschein, und wie ein Gerichtsmediziner von Scotland Yard wenig später feststellte, passte das angeblich von van Gogh stammende Objekt „wie angegossen“ auf Heriberts Ohrmuschelstumpf.

Zurzeit sitzt Lenz in London in Untersuchungshaft. Seine Auslieferung beantragt haben Deutschland, Bayern, Schweden, Irland, Pakistan, Spanien, Uruguay, Belgien, die USA, Saudi-Arabien und sogar Monaco, wo Heribert seit sechzehn Jahren steckbrieflich gesucht wird. Er soll dort einer Bratenspickerin am Fürstenhof die Ehe versprochen und die Dame mit Drillingen sitzen gelassen haben, die alle aussehen wie er. Auch dafür wird er zahlen müssen. Die weltweit an Heribert Lenz gestellten Schadenersatzforderungen belaufen sich auf insgesamt rund elf Millionen Euro.

Er sei nur „ein armer Schlucker“, schleimte Lenz gegenüber dem Haftrichter in gespielter Zerknirschung. Eine dickere Lippe riskierte der Gewaltmensch anschließend im Interview mit einer britischen Boulevardzeitung: „When I here ever come out living, I’ll make you long!“

Um Schadensbegrenzung bemüht sich unterdessen Heriberts Großmutter, die 104 Jahre alte Wilhelmine Lenz. „Heribertchen ist an und für sich kein schlechter Mensch“, hat sie bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in der Seniorenresidenz Magdalenenstift im oberfränkischen Bad Salzbach erklärt. Er sei ein „pummeliger und niedlicher Säugling“ gewesen, „jedenfalls bis er laufen und werfen konnte und diese schlimmen Sachen machte, angefangen mit der Geschichte mit dem Obstmesser und der Nachbarskatze …“

Eine „goldene Nase“ verdienen könnte sich Heribert paradoxerweise nun aber doch noch mit seinem abgeschnittenen Ohr: Nach Auskunft des Pressesprechers von Sotheby’s beläuft sich der Marktwert des Fleischlappens gegenwärtig auf 12.700 Euro, Tendenz steigend.

GERHARD HENSCHEL