Die USA lassen Arafat nicht fallen

Trotz proisraelischer Stimmung in Washington gelingt es Premier Scharon nicht, Präsident Bush zu überreden, den Chef der Palästinenser zu isolieren. Mit seiner Äußerung, Israel könne Arafat aufhängen, schockiert US-Vizepräsident Cheney die Gäste

aus Washington MICHAEL STRECK

Die US-Regierung hat Israels Forderungen nach einer Isolierung von Palästinenserführer Jassir Arafat zurückgewiesen. Israels Premierminister Ariel Scharon hatte gehofft, bei seinem USA-Besuch zu erreichen, das Arafat als Partner im Nahostkonflikt fallen gelassen wird. Präsident George W. Bush machte jedoch deutlich, dass dieser Kontakt nicht abgebrochen werde. Vor neuen Vermittlungen bestehe man aber auf einem Ende der Gewalt in den Autonomiegebieten.

Die Stimmung in Washington könnte momentan kaum proisraelischer sein. Amerika hat sich die Sichtweise Israels zu Eigen gemacht, dass die Gewalt der Palästinenser und militante islamische Gruppen das Hauptproblem im Nahostkonflikt sind.

Bush zeigte sich verbittert über Arafats Unvermögen, die Gewalt zu beenden. Er rief Arafat dazu auf, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um den Terrorismus zu bekämpfen. Arafats Glaubwürdigkeit befindet sich auf dem Tiefpunkt, nachdem aufgedeckt wurde, dass eine Schiffsladung mit 50 Tonnen Waffen in die Autonomiegebiete geschmuggelt werden sollte.

Wie zu erwarten, erneuerte Scharon seine Attacken gegen Arafat. Er warf dem Palästinenserführer vor, eine „Strategie des Terrors“ zu verfolgen. Scharon besucht nach einem Jahr im Amt bereits zum vierten Mal das Weiße Haus. Arafat, einst häufiger Gast bei Präsident Bill Clinton, hat dagegen bislang eine Einladung von Bush ausgeschlagen – ein deutliches Zeichen der Entfremdung zwischen Washington und den Palästinensern.

Auf der Tagesordnung stand auch das Verhalten gegenüber dem Iran, den beide Gesprächspartner zum „Reich des Bösen“ zählen. Scharon drängt auf ein härteres Vorgehen der USA gegen den Iran. Israel wirft dem Land vor, mit Unterstützung der radikalislamischen Hisbollah den Nachbarn Libanon in ein Pulverfass zu verwandeln. Laut Israels Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser sei das Land mit seiner Raketentechnologie und einem Atomforschungsprogramm sogar eine größere Bedrohung als der Irak.

Kurz vor dem Eintreffen Scharons in Washington wurde bekannt, dass US-Vizepräsident Dick Cheney in der kommenden Woche Israel und acht Länder im Nahen Osten besuchen wird, nicht jedoch die palästinensischen Autonomiegebiete. Er überraschte Ben-Elieser während des Besuchs der israelischen Delegation mit einer Äußerung ganz besonderer Art. Wenn es nach ihm ginge, könne Israel Arafat auch aufhängen, zitierte Ben-Elieser Cheney gegenüber der israelischen Zeitung Jediot Acharonot.

Im Vorfeld des Scharon-Besuches wurde in Washington viel über die Rolle Amerikas als „neutralem“ Nahostvermittler debattiert. Der Bush-Regierung wird vor allem im Ausland vorgeworfen, ihre Vermittlerposition aufgegeben zu haben.

„Eine neutrale Position war nie eine realistische Politik“, sagt jedoch Bruce Jentleson, Nahostexperte von der Duke University. Israels historische Bindungen zu den USA und sein Überleben als demokratischer Staat in einer vergleichsweise undemokratischen Region seien Gründe, warum Amerika niemals eine neutrale Rolle einnehmen werde. Man könne nur versuchen diese Parteinahme abzumildern.

Die Regierung wird daher nicht müde zu betonen, dass die USA den Friedensprozess und ihre Vermittlerrolle noch nicht aufgegeben haben. Außenminister Colin Powell versicherte Jordaniens König Abdullah vergangene Woche, dass die USA mit beiden Parteien so ausbalanciert wie möglich zusammenarbeiten wollen. Beobachter sind jedoch der Auffassung, dass Powells Haltung immer weniger Gewicht in der Regierung hat. Das Weiße Haus werde zwangsläufig näher an Israel rücken, da die eigene Logik der Terroristenbekämpfung Israels Feldzug gegen die Palästinenser ebenso als Antiterroreinsatz anerkennt wie den eigenen Krieg gegen den Terror.