Kein blauer Brief für Minister Trittin

Der Präsident des Umweltbundesamtes Andreas Troge zur Nachhaltigkeitsstudie: Wie Deutschlands Zukunft umweltgerecht gestaltet werden kann, warum die Italiener manchmal vorbildhaft für uns sind. Und warum wir eine Finanzreform brauchen

Interview REINER METZGER

taz: Herr Troge, laut der jüngsten UBA-Studie wirtschaftet Deutschland noch lange nicht nachhaltig. Ist das ein „blauer Brief“ für den Umweltminister?

Andreas Troge: Nein, auf dem Umweltsektor ist in den letzten 10 oder 20 Jahren vieles besser geworden – auch im internationalen Vergleich. Da nimmt Deutschland sehr gute Plätze ein – mit einigen Schwachpunkten wie etwa beim Erhalt der biologischen Vielfalt.

Aber in zwei von drei Szenarios der Studie erreicht Deutschland doch nicht das Ziel eines nachhaltigen Wirtschaftens.

Die Szenarios reichen bis 2030. Niemand kann verlangen, dass schon in drei Jahren alles Notwendige realisiert wird. Einige Dinge wie verbraucher- und umweltschutzoriente Agrarproduktion, das Ende der Kernenergienutzung oder die Energieeinsparverordnung sind ja schon Weichenstellungen in Richtung des dritten, des Nachhaltigkeitsszenarios.

Ergebnis der Studie bleibt, dass Steigerungen der Effizienz bei Energie- und Rohstoffverbrauch nicht ausreichen. Vom Gesetzgeber fordern Sie daher „Maßnahmen höherer Umsetzungsintensität“. Heißt das, wir sollen in Zukunft alle Energie sparende Vegetarier werden oder nur noch Rad fahren?

Ach nein, wir neigen nicht zum Extremismus. Nehmen Sie nur das Beispiel Nahrungsmittel: Wenn die Deutschen ungefähr so wenig Fleisch essen würden wie die Italiener, also ein Drittel weniger Kalorien durch Fleisch aufnähmen, dann wäre viel gewonnen. Dann könnten wir auf unserer Nutzfläche – rein rechnerisch – mit 100 Prozent ökologischem Landbau die Bevölkerung versorgen.

Klingt gut, aber wie kann die Politik das umsetzen?

Kräftiger rangehen. Wir müssen die ökologische Steuerreform auf eine ökologische Finanzreform erweitern. Das bedeutet, dass wir auch die Ausgabenseite des Staates miteinbeziehen und für jedes wichtige staatliche Ausgabenprogramm eine Umweltverträglichkeitsprüfung machen. So will es auch die EU. Am wichtigsten ist allerdings, die Subventionen zu beschränken, die direkt den Umweltverbrauch begünstigen. Starbeispiel ist hier die Steuerbefreiung für Flugbenzin, aber auch der Steinkohlebergbau oder die Subvention von langen Pendlerstrecken über die Entfernungspauschale der Einkommenssteuer.

Selbst wenn die meisten Umweltpolitiker solchen Forderungen zustimmten – bei der nächsten Wahl würden sie dafür abgestraft. Wie also die Bevölkerung davon überzeugen?

Nehmen Sie den Subventionsabbau. Damit wird das Budget des Staates erleichtert und Handlungsspielraum geschaffen, den Bürgern anderswo zu helfen. Es müsste doch auch interessant sein für die Allgemeinheit, dass solche Sondervergütungen zumeist nur für relativ wenige gut sind. Bei der Ökosteuer hieß es etwa, das gehe zulasten der einkommensschwachen Autofahrer. In Wirklichkeit ist es doch so: Die niedrigsten Einkommensschichten besitzen pro Kopf die wenigsten Autos und fahren dann auch noch am wenigsten damit. Die werden bei der Ökosteuer gerade unterproportional belastet.

So was muss also nur von der Regierung überzeugend dargestellt werden?

Die Aufgabe wird nicht eine Regierung allein stemmen können, egal welche. Das bedarf der breiten Unterstützung durch die Bevölkerung und die gesellschaftlichen Gruppen. Und je länger wir die Augen verschließen vor dem, was eigentlich ansteht, desto schmerzhafter wird der lange Anpassungsprozess.