Volk soll begehren

Koalition einigt sich auf Eckpunkte für Volksentscheide. „Mehr Demokratie“: Hürden sind zu hoch, 100.000 Unterschriften reichen

BERLIN dpa/taz ■ Die Koalition will noch vor der Sommerpause eine Grundgesetzänderung durchsetzen, um Volksentscheide auf Bundesebene einzuführen. Nach neunmonatigen Verhandlungen stellten SPD und Grüne gestern Eckpunkte dafür vor. Danach soll jeder Wahlberechtigte künftig per Unterschriftensammlung eine Volksabstimmung erzwingen können.

Der Grünen-Abgeordnete Gerald Häfner, der das Projekt gemeinsam mit dem SPD-Abgeordneten Hermann Bachmaier verfolgt hat, nannte es „genau so wichtig wie die Einführung des allgemeinen Wahlrechts“. Notwendig ist für die Grundgesetzänderung freilich die Zweidrittelmehrheit des Bundestags. Da es in Union-Ländern bereits Volksbegehren gibt – als Musterland des Volksbegehrens gilt Bayern –, ist es gar nicht unwahrscheinlich, dass die Union zustimmt.

Die rot-grünen Pläne sehen vor, dass in einer „Volksinitiative“ alle Bürger einen Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen können, sofern sie dafür 400.000 Unterschriften von Wahlberechtigten zusammenbekommen. Hat das Parlament den Entwurf nach acht Monaten nicht verabschiedet, kann ein „Volksbegehren“ eingeleitet werden. Dazu bedarf es 5 Prozent des Wahlvolks – etwa 3 Millionen Stimmen. Wenn das Parlament sich nicht bewegt, findet ein „Volksentscheid“ statt. Dafür bedarf es der Beteiligung von 20 Prozent der Wahlbürger, davon muss die Mehrheit zustimmen. Für Verfassungsänderungen braucht es 40 Prozent und eine Zweidrittelmehrheit.

„Wir sind froh, dass die überhaupt endlich loslegen“, sagte Ralph Kampwirth, Sprecher der Initiative „Mehr Demokratie“, gestern zur taz. „Aber die Hürden sind zu hoch.“ Laut Mehr Demokratie müssten 100.000 Stimmen für eine Volksinitiative reichen. Für ein Begehren reichten 1 Million Stimmen und für eine Verfassungsänderung 2 Millionen. Mehr Demokratie tourt selbst seit Mai 2001 durchs Land, um in einer Art Testlauf 100.000 Stimmen für das eigene Modell zu sammeln. Wie schwierig das ist, zeigt das Zwischenergebnis: Bislang sind erst 53.000 beisammen. UWI