Hackl Schorsch, der Berufsfolklorist

Will heute Nachmittag auf Porsche in die Ruhmeshalle Olympias rodeln – als erfolgreichster Wintersportler

PARK CITY taz ■ Die VIPs des deutschen Sports werden am Montagmorgen ab neun (17 Uhr MEZ) entlang der Bob- und Rodelbahn nach einem strategisch günstigen Plätzchen suchen, auf dass sie sich bloß gut ins Bild bringen. Vorneweg NOK-Chef Walter Tröger mit Gattin, gut erkennbar ob ihres Dutts. Vielleicht darf Tröger ja am Abend auf der Medal-Plaza von Salt Lake City Georg Hackl sogar seine vierte olympische Goldplakette umhängen. Hackls Bilanz: dreimal Gold und einmal Silber bei Winterspielen. Mit der vierten Goldenen käme der Schorsch aus Berchtesgaden auf ewig in die Sportarchive, zumindest solange die Welt im Winter noch Schlitten fährt.

Die Deutschen sind ja traditionell gute Schlittenfahrer. In der DDR galt es sogar als Regierungsauftrag, die Domäne in jener exotischen, aber medaillenträchtigen Disziplin zu verteidigen. Diesen Job hat nach der Wiedervereinigung selbstverständlich Georg Hackl übernommen. Er wurde zur personifizierten Goldgarantie, und weil sein Wettbewerb immer als einer der ersten im olympischen Programm stand, ward seinem Abschneiden besondere Aufmerksamkeit zuteil. Der siegreiche Auftritt des bayerischen Unikums entwickelte sich mit der Zeit zum deutschen Part der olympischen Eröffnungsfeier. Wenn der Schorsch losgerodelt und gewonnen hatte, konnten die Spiele erst richtig losgehen.

Hackl selbst ist vom andauernden Erfolg am meisten überrascht worden. Und haben nicht alle in jenem Moment vor 14 Jahren, da er in Calgary zum ersten Mal aufgetaucht war und sich auf seine unkonventionelle, urige Art („I bin der Hackel Schorsch“) vorgestellt hatte, gelächelt über diesen kauzigen Kerl. Der Betroffene nahm damals seinen plötzlichen Bekanntheitsgrad nicht ernst. Der Rummel um seine Medaille würde sich nach ein paar Tagen gelegt haben: „Heute berühmt, morgen vergessen, ja mei, da kannst auch nix machen.“

Heute aber kann der Hackl Schorsch bei Porsche in Zuffenhausen anrufen und fragen, ob ihm die Techniker des Hauses einen noch schnelleren Schlitten bauen könnten. Was will die exklusivste Autofirma im Land mit einem Rodler anfangen? Im Falle Hackl kennen die Produzenten von Luxusflitzern keinerlei Standesdünkel. Im Gegenteil. Man ist sogar stolz, das Hightech-Gefährt für Hackl entwickelt und gebaut zu haben.

Der berühmteste Schlittenfahrer der Welt ist längst zu einem Markenzeichen des deutschen Sports geworden, Journalisten haben ihn einmal zum „Sportler des Jahres“ gewählt, häufig belegte er bei solchen Ehrungen Spitzenplätze. Weil die Juroren nach einem Gegenentwurf suchen für all die Stars, die in dieser Dekade in den Himmel geschossen wurden und dann die Bodenhaftung verloren haben. Der Hackl Schorsch aber ist immer unten geblieben und manchmal erweckte er den Eindruck, als spiele er uns allen eine folkloristische Rolle vor: Der Berufsbajuware in seiner Tracht, ein tüchtiger Bastler, der nicht nur Schlitten zusammenbaut, sondern jeden Wasserhahn reparieren kann. Aber trotz all seiner Volksweisheiten und bauernschlauen Sprüche auch von einer gewissen Schlichtheit geprägt.

Im vergangenen Herbst hat sich der Spiegel das Unikum des deutschen Wintersports mal politisch vorgeknöpft, nachdem Hackl seine Kandidatur für einen Platz im Kreistag publik gemacht hatte. Mit ziemlicher Sicherheit ist der Hackl Schorsch dabei von seinen CSU-Spezies benutzt worden, weil man mit dem Rodelidol auf der Liste im Berchtesgadener Land schon etliche Stimmen gewinnen kann. Die Art und Weise, wie man ihn da hingestellt hat, hat Hackl verletzt. Andererseits hat ihn die Kritik sensibilisiert, sich vor diesen Spielen in Salt Lake City ernsthaft Gedanken über sein Image zu machen. „Die Mehrzahl der deutschen Blätter kriegt von mir kein Interview, nie mehr im ganzen Leben“, hat er jetzt der Süddeutschen Zeitung erklärt, und auch gleich warum: „Weil jeder sein Bild von mir hat, und das will er nicht korrigieren, das verkauft sich auch schlecht.“ Aber wie bringt man dem Publikum jenes Ideal bei, nachdem Hackl strebt? „Ich will mich im Sport entwickeln, das ist es.“ Das ist sein Ideal.

MARTIN HÄGELE