Die EU wird im Nahen Osten aktiv

Im spanischen Cáceres suchen die Außenminister nach einer Initiative zur Beendigung des israelisch-palästinensischen Konflikts. Damit rückt Europa von der harten Haltung der USA ab. Doch die Regierungen in Berlin und London bleiben skeptisch

aus Madrid REINER WANDLER

Die Idee der EU-Außenminister für einen Ausweg aus der Krise im Nahen Osten ist klar, seine Umsetzung weniger: „Die Region braucht eine wirtschaftliche und politische Perspektive, auch wenn es dabei keine hundertprozentige Sicherheit gibt. Oder anders ausgedrückt: Wir müssen wieder die Politik ins Zentrum unserer Debatte rücken“, erklärte der spanische Außenminister und Vertreter der derzeitigen EU-Präsidentschaft Josep Piqué am Samstag nach einem zweitägigen informellen Treffen mit seinen 14 Kollegen im südwestspanischen Cáceres. Eine endgültige Entscheidung darüber, wie die künftige EU-Initiative einer Konfliktlösung zwischen Israel und Palästina aussehen wird, soll voraussichtlich am 18. diesen Monats auf einem offiziellen Gipfel in Brüssel fallen.

Zur Debatte stehen zwei Vorschläge. Frankreichs Außenminister Hubert Vedrine möchte die Gründung eines palästinensischen Staates und sofortige Wahlen. Die EU müsse den neuen Staat, der bis auf Weiteres keine festen Grenzen haben soll, umgehend anerkennen. Dies hätte einen „psychologischen Effekt“, denn damit würde Palästinenserpräsident Jassir Arafat gegenüber den radikalen Gruppen gestärkt. „Die Palästinenser haben das Recht, sich anders als mit Selbstmorden auszudrücken“, mahnt Vedrine.

Der Gegenvorschlag stammt von Italiens Ministerpräsidenten und Außenminister Silvio Berlusconi. Er setzt auf eine weitere internationale Konferenz wie die frühere in Madrid.

Die meisten der 15 sympathisieren mit der Initiative aus Paris. Sie halten ein hochrangiges Treffen der beiden Konfliktparteien unter internationaler Beteiligung angesichts der angespannten Lage für schwer zu realisieren.

Doch vor allem London und Berlin haben ihre Zweifel am Vorschlag aus Paris. Sie stören sich an den vorgesehenen Wahlen. In einer radikalisierten Situation wie der jetzigen würde dies nur zu einer weiteren Zuspitzung der Positionen der verschiedenen palästinensischen Kräfte führen. Außerdem wollen beide keine zu starke Emanzipation der EU-Nahostpolitik von der harten Linie der USA.

Der Chef der britischen Diplomatie, Jack Straw, wird dabei am deutlichsten. Er will zuerst eine volle Sicherheitsgarantie für Israel, bevor die EU weitere Schritte einleitet. „Der wichtigste Standpunkt ist der der USA“, bekräftigte er seine Bündnistreue.

Auch der deutsche Außenminister Joschka Fischer zeigt Skepsis gegen den französischen Vorschlag. „Es ist klar, dass die Sicherheit zentral ist“, betonte er immer wieder, um Israel und die Vereinigten Staaten nicht zu arg zu verprellen. Allerdings müsse Europa aktiv werden, um beide Seiten an den Verhandlungstisch zurückzubringen. Der Nahe Osten sei „Teil der europäischen Sicherheit“.

Trotz der noch zu klärenden Widersprüche geht die EU mit dem Treffen in Cáceres deutlich auf Distanz zur Härte von US-Präsident George Bush. Israels Regierungschef Ariel Scharon, der Arafat seit Wochen unter Hausarrest hält, dürfte durch einen neuen EU-Vorstoß unter Zugzwang geraten.

Straw und sein deutscher Kollege Fischer werden noch vor dem Brüsseler Außenministertreffen in einer Woche in die Konfliktregion reisen. Fischer möchte dabei einen eigenen Kompromissvorschlag vorstellen. Der grüne Vizekanzler will Arafat zu einem Referendum über ein Verhandlungspaket mit Israel bewegen. „Das würde eine völlig neue Aufstellung bringen“, ist er sich sicher.