humorhölle rheinland: nie mehr allein sein

Der Rheinländer ist derartig gesellig, dass er einzeln gar nicht vorkommt. Im Aggregatzustand des Solitärs trifft man ihn nicht an – immer ist er im Pulk unterwegs und strebt Lokalen zu, in denen er noch mehr von sich vorfindet. Wenn der Rheinländer notgedrungen doch einmal alleine sein muss, bloß mit sich selbst vorm Spiegel, dann steht er quasi vor dem Nichts. Vielleicht ist es das, was den Rheinländer so tolerant macht. Er weiß selbst um sein erschütterndes Bedürfnis, in Mittelmaß und Mainstream zu verschwinden, sich aufzulösen in der Menge als entkernter, ichbefreiter Teil der Woge. Dabei ist der rheinländische Gemeinsinn, sieht man von boulevardhaften Vertretern wie den Landplagen Jürgen Domian, Wolfgang Niedecken, Hella von Sinnen et cetera einmal ab, selten so aufdringlich und aggressiv wie zum Beispiel der bayerische des Dr. Edmund bin Loden. Wer aber dauernd gesellig ist, wird unkonzentriert und benötigt Zerstreuung von der ständigen Unterhaltung. Dafür hat sich der Rheinländer die Comedy ins Haus und an den Hals geschafft: zum Abschalten. Comedy ist das Zeug für Leute, die sogar vom Karneval noch intellektuell überfordert sind. Doch obwohl Karnevalsmetropoleninsassen von wahren Greueltaten berichten – ich zitiere eine trotz Massenfrohsinns fröhlich gebliebene Düsseldorferin: „alles voller Blut, Kotze und Alkohol, ab und zu ein Tätäää-tätää-tätää dazwischen“ –, gilt zuverlässig: Verglichen mit jeder der zahllosen trüben Scherzkeksereien seitens gefürchteter Unterhosenwitzbolde wie Stefan Raab oder Johannes Rau ist das rheinländische „Alaaf!“ respekive „Helau!“ eine Äußerung von geradezu adornitischer Hellsichtigkeit. Muss man leider so sagen.MOLLY BLUHMFOTO: AP