Hier wird Sound zerlegt

Zwischen Laptop-Rauschen und klingender Physik: Die Frankfurter Ausstellung „Frequenzen [Hz]“ sucht nach neuem Vokabular innerhalb einer sich nachhaltig bewährenden Sprache der Medienkunst. Die Museen, fordert Kurator Jesper Jorgensen, sollen als Koproduzenten der Künstler fungieren

von ANDI SCHOON

Zum Empfang blitzt es. An der Zwischendecke des Rundbaus, den man unterqueren muss, um das Foyer der Schirn-Kunsthalle in Frankfurt zu erreichen, ist eine Leinwand gespannt, von der regelmäßige Licht- und Soundstöße ausgehen. Die „sinus.licht“ betitelte Arbeit von Carsten Nicolai liefert einen ersten Eindruck davon, worum es sich im Inneren der mit „Frequenzen [Hz]“ betitelten Ausstellung dreht: um dieVerflechtung von Kunst, Klang und spezifischer Raumarchitektur – alles auf einem hohen Reflexionsgrad der Wahrnehmungszustände, versteht sich.

Ein Großteil des von Jesper Jorgensen kuratierten Programms schmiegt sich eng an einen sehr weißen Schaumstoff-Rundgang. Der „Mäander“ wurde speziell für die Ausstellung entworfen und die meisten der Kunstwerke eigens für den Mäander. Der Parcours ist ein in sich dramatisierter Loop aus Angriff und Erholung; die Exponate selbst umkreisen einige wenige Grundthemen. Da sind zum einen – dem Titel der Schau entsprechend – Frequenz-Abenteuer, von denen einige in schwarzen Abseiten gelegen sind.

Den oberen Teil des Rundbaus etwa hat sich Franz Pomassl für seine „Rotunde“ ausgesucht, eine ringförmige Galerie, die in totaler Dunkelheit beschritten wird. An der Tür warnt ein Schild Personen, die zu „Klaustrophobie und Gleichgewichtsstörungen“ neigen, davor, sich zu weit vom Eingangsbereich zu entfernen. Wer es trotzdem tut, findet sich inmitten einer Atmosphäre von David-lynchesken Ausmaßen wieder: Unsichtbar im Raum verteilte Subwoofer-Lautsprecher erzeugen bei gleichmäßigem Gang ein periodisches Spiel aus wechselnden Klangdichten.

Ein anderer schwarzer Fleck der Ausstellung ist das Werk „spectra II“ des Japaners Ryoji Ikeda. Der düstere Korridor von fast dreißig Metern, optisch unterteilt durch fünf rote Laserschranken, wirkt mit seiner Kombination aus Stroboskoplicht und hohen Sinustönen wie ein albtraumhaftes Zwischenreich. Am Ende scheint sich der Raum zu krümmen, als lauere dahinter ein Abgrund. Dort angekommen geht es zwar nicht bergab, dafür sieht es so aus, als sei der Eingang verschwunden.

Neben der Arbeit mit extremen Frequenzen ist die halbwissenschaftliche Herangehensweise, mit der vornehmlich Physikalisches verhandelt wird, der zweite rote Faden der Ausstellung. Das Wiener Kollektiv Farmers Manual macht mit einem interaktiven Computerprogramm elektronische Informationen aus dem Internet hör- und sichtbar; der schwedische Allround-Künstler Carl Michael von Hauswolff unternimmt Ähnliches mit der Stromspannung des Hauses; Carsten Nicolai, der auch die parallel zur Ausstellung laufende Konzertreihe zusammenstellte, versetzt Wasserflächen mit Hilfe dröhnender Bassboxen in gleichmäßige Bewegung. „Sound wird hier zerlegt und mikroskopisch auf präzise Situationen hin untersucht“, erklärt Nicolai. Die Beschränkung auf ein einzelnes Klangereignis ist dabei kein Zeichen von Bescheidenheit: „Die Idee dahinter ist, dass in den Fragmenten die gesamte Information enthalten ist. Das kann man schon mit der Teilchenphysik vergleichen, wo versucht wird, das Universum zu ergründen, indem man der Frage nachgeht, woraus denn das Universum eigentlich besteht.“

Dass hier eher in größeren Dimensionen gedacht wird, wird spätestens dann klar, wenn der junge Kurator Jesper Jorgensen von seinem Vorhaben berichtet, das Kunstmuseum als Institution gleichermaßen zu fordern und neu zu etablieren: „Das Museum sollte als Koproduzent der Künstler fungieren, ihnen helfen und Möglichkeiten bieten. Es hat eine Plattform für kontinuierlichen Austausch zu sein.“

Der Rückgriff auf mittlerweile musealisierte Form trägt aber noch eine zweite Bedeutung in sich, auch wenn der Katalog dieser Annahme an manch wenig plausibler Stelle entgegenzuwirken versucht: In der Schau finden sich bedeutende Versatzstücke des historischen Minimalismus der frühen Sechzigerjahre – schon im Foyer leuchtet einem der monochrome Stolz der Moderne entgegen. Daneben gehören überlieferte Werte vom Fall der Gattungsgrenzen, vom Primat der Objekthaftigkeit und Reduktion zu den Kerngedanken der Ausstellung. Mehrfach auftauchende Strategien wie das Sinuston-Gesamtkunstwerk kennt man von Lamonte Young, die klingende Physik von Alvin Lucier und Jorgensens Initialidee der Sammlung „hörbarer Plastiken“ lässt sich sogar bis ans Bauhaus zurückverfolgen.

Das weiß auch Jorgensen selbst und konstatiert es ohne Verlegenheit, weil sich die Entwürfe der Minimal Art bestens als Ausgangspunkt eignen. Zumindest sind bei aller spirituellen Anwesenheit der einflussreichen Ahnen verschiedene Formen der Aktualisierung zu erkennen. Sei es der politische Ansatz der „Audioaktivisten“ Ultra Red, die Internetkunst von Farmers Manual oder auch die Rekodierung aktueller Werbeästhetik bei Daniel Pflumm: Es wird neues Vokabular innerhalb einer sich nachhaltig bewährenden Sprache gefunden.

Bis 28. April, Schirn-Kunsthalle Frankfurt, www.schirn.de