Innenminister Otto Schily ganz devot

Die Regierung erläutert in Karlsruhe die Unterwanderung der NPD. Fazit: Die V-Männer waren alles echte Nazis

BERLIN taz ■ Die Bundesregierung hat dem Karlsruher Bundesverfassungsgericht (BVG) die geforderte Stellungnahme zum NPD-Verbotsverfahren am gestrigen Nachmittag per Boten zustellen lassen. In dem 39-seitigen Schriftsatz, der der taz vorliegt, verteidigen die Prozessbevollmächtigten von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat die Verbotsanträge der drei Verfassungsorgane gegen die rechtsextreme Partei.

Das Fazit des Schreibens: Der Einsatz so genannter V-Leute der Verfassungsschutzbehörden war rechtlich unbedenklich. Das BVG hatte die Stellungnahme angefordert, nachdem bekannt wurde, dass sich die Verbotsanträge auch auf die verfassungswidrigen Aussagen und Taten von V-Leuten stützen. Die Richter hatten die Termine für die mündlichen Verhandlung aus Verärgerung über die V-Leute abgesetzt.

„Die Beobachtung von extremistischen Organisationen unter Einsatz nachrichtlicher Mittel ist zulässig. Gesetzliche Regelungen und Dienstvorschriften untersagen es den Behörden, steuernden Einfluss auf die beobachtete Organisation auszuüben“, argumentieren die Prozessbevollmächtigten. Zuvor danken die Juristen den Karlsruher Richtern für die Gelegenheit der nachträglichen Stellungnahme – Klaus-Dieter Schnapauff, Abteilungsleiter im Innenministerium, habe sich in einem Gewissenskonflikt befunden, als er Verfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch in einem später von Innenminister Otto Schily (SPD) als „dienstlich-privat“ charakterisierten Gespräch über die V-Mann-Tätigkeit des vom BVG als Zeugen geladenen führenden NPD-Funktionärs Wolfgang Frenz informiert habe: „Einerseits hatte er Kenntnis davon erhalten, dass die von dem Senat geladene Auskunftsperson Frenz bis 1995 V-Mann des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen gewesen war. Andererseits sah er sich um des Schutzes der betroffenen Personen willen gehindert, dieses Wissen ‚offiziell‘ mitzuteilen.“ Auch der Einsatz des V-Manns Frenz sei kein Problem – der NRW-Verfassungsschutz habe sich „im Rahmen der gesetzlichen Befugnisse“ bewegt: „Frenz handelte bei seinen Aktivitäten nicht im Auftrag oder aufgrund einer Steuerung des Verfassungsschutzes, er war vielmehr in der gesamten Zeit, die er als V-Mann tätig war, ein überzeugter Rechtsextremist und Antisemit.“

Ähnliches schreiben die Prozessbevollmächtigten auch im Fall des ebenfalls als V-Mann enttarnten nordrhein-westfälischen NPD-Vorsitzenden Udo Holtmann: „Holtmann war kein Agent Provocateur, sondern war Lieferant von Informationen aus dem Bundesvorstand der NPD.“ Die Begründung der These wirkt allerdings mehr als schwach – als Beweis werden ausgerechnet Zitate vom derzeitigen NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt persönlich angeführt: „Holtmann war also in erster Linie Parteisoldat, der selbstständige Auftritte scheute und in der Außendarstellung der NPD nur eine untergeordnete Rolle spielte“, schreiben die Prozessbevollmächtigten, um klarzustellen, dass der Verfassungsschutz keinesfalls über Holtmann steuernden Einfluss auf die NPD ausgeübt habe.

Die Karlsruher Richter wollen nun entscheiden, ob das Verfahren wieder aufgenommen wird – oder ob die Verbotsanträge unter Verzicht auf V-Mann-Aussagen neu gestellt werden müssen.

Innerhalb der Opposition stieß das Schreiben auf Ablehnung. Die Innenexperten von PDS und FDP, Ulla Jelpke und Max Stadler, erklärten, der Antrag dürfe sich nicht auf Aussagen und Taten von V-Leuten stützen. Unionsfraktionschef Friedrich Merz meinte, man müsse über eine Rücknahme der Verbotsanträge nachdenken.

Schily-Sprecher Rainer Lingenthal erklärte jedoch, die Anträge stützten sich nur in geringen Teilen auf V-Leute. „Aus Respekt vor dem Gericht“ wollte er auf Einzelheiten aber nicht eingehen. Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele kritisierte gegenüber der taz, nicht einmal Schily könne beurteilen, ob noch weitere V-Leute in den Anträgen auftauchten. ANDREAS WYPUTTA

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