Sei verschlungen, Milliarde!

■ Investitionen in Höhe von einer Milliarde Euro für Bremerhaven

Noch vor ein paar Monaten hatte Bremerhavens Oberbürgermeister Jörg Schulz (SPD) wütend gegen Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU) geschossen: Auf taube Ohren stoße er bei den Wirtschaftsförderern im fernen Bremen mit allen Initiativen, das kränkelnde Gewerbe in der Seestadt zu beleben. Gestern dagegen herrschte Sonnenschein zwischen den Regierenden aus Stadt und Land. Auf Investitionen in Höhe von einer Milliarde Euro in Bremerhavens Wirtschaftsstruktur hatten sie sich geeinigt.

Der Löwenanteil entfällt mit 480 Millionen Euro auf den Ausbau des Containerhafens. Das geplante Containerterminal (CT) IV wird nun nicht mehr, wie ursprünglich geplant, in zwei Etappen gebaut, sondern in einem Stück. Im Jahr 2007 sollen alle vier Liegeplätze fertig sein. Der Planung liegen Prognosen zu Grunde, nach denen der Containerumschlag in Bremerhaven sich bis 2015 mehr als verdoppeln könnte. Für die Grünen kritisierte der Bürgerschaftsabgeordnete Manfred Schramm umgehend, angesichts der Entscheidung für den Bau eines Tiefwasserhafens in Wilhelmshaven sei die CT IV-Planung „ein umwelt- und finanzpolitischer Skandal“. Statt doppelte Hafeninfrastruktur zu schaffen, solle das Geld lieber in den „Wissenschaftsstandort Bremerhaven“ investiert werden. Wirtschaftssenator Hattig dagegen rührte einmal mehr die Gebetsmühle: „Wilhelmshaven ist nur ein Ergänzungshafen.“ Wie er Reeder daran hindern will, Wilhelmshaven anzulaufen, bevor Bremerhaven voll ist, bleibt auch diesmal sein Geheimnis. Nur soviel: „Wir werden die Weser nochmals vertiefen ...“, ließ Hattig en passant fallen.

Zum zweitgrößten Brocken im Investitionsplan für Bremerhaven könnte eine direkte Folge der Hafenerweiterung werden: Auf der Cherbourger Straße, die Hafen und Autobahn verbindet, ist der LKW-Kollaps bei weiterem Umschlagswachstum vorprogrammiert. Die Straße soll kreuzungsfrei ausgebaut werden, wenn es nach OB Schulz geht am liebsten durch Untertunnelung. Allerdings haben sich die Kosten dafür seit der ersten Schätzung auf 113 Millionen Euro verdoppelt, weshalb Finanzsenator Perschau noch keine Zusage geben mochte.

Fast bescheiden nehmen sich dagegen die Projekte zur Entwicklung des städtebaulichen Filetstücks Alter/Neuer Hafen aus, mit denen die touristische Attraktivität der Seestadt gesteigert werden soll. Dabei geben Stadt und Land auch hier erkleckliche Summen aus: Touristischer Hauptanziehungspunkt soll ein „Edutainment“-Center werden, das die Themen Wasser und Klima verbindet. Nach dem Scheitern der Ocean-Park-Pläne von Projektentwickler Jürg Köllmann wollte sich dafür allerdings kein privater Investor finden. Deswegen soll nun der Staat mit rund 70 Milionen Euro einspringen. Momentan konkurrieren zwei Firmen: Petri&Tiemann aus Hamburg, die schon in Bremen das Universum erfolgreich betreiben, wollen mit ihrem „Klimahaus“ jährlich 600.000 Besucher an die Wesermündung locken. Gar 800.000 Gäste verspricht der französische Großaquarien-Betreiber Nausicaa für sein „Klimarium“. Der Nachteil: Auch wenn der Staat die Bauinvestition tätigt, will Nausicaa nicht einmal das Betreiberrisiko tragen. Es müsste also ein anderer Betreiber gefunden werden – oder auch hier müsste wieder der Staat einspringen. Eine weitere Attraktion soll die seit langem geplante „Erlebniswelt Auswanderung“ werden – „kein Museum, das uns später Geld kostet“, wie OB Schulz betont. Der Staat bezahlt „nur“ den Bau mit 20,5 Millionen Euro; ein privater Betreiber hat schon Interesse angemeldet. Mit Infrastrukturmaßnahmen und Stadtmarketing soll die Revitalisierung des innerstädtischen Hafenreviers rund 226 Millionen Euro aus Steuermitteln kosten, wovon die Seestadt 176 Millionen trägt. Dem stehen bislang private Investitionszusagen in Höhe von 111 Millionen Euro gegenüber: Die Bremer Zechbau-Gruppe will ein Hotel für 19 Millionen bauen, eine Investorengruppe das Einkaufszentrum „Mediterraneum“. Außerdem soll im Hafenbecken eine Marina und drumherum 200 exklusive Wohnungen für insgesamt 61 Millionen entstehen. Kleiner Schönheitsfehler diser „privaten“ Investition: Der Staat muss mit 27 Millionen Euro in Vorleistung gehen und eine Sportbootschleuse bauen.

Wie das alles finanziert werden soll? Das wusste so ganz genau gestern noch niemand, aber „wir werden das tun“, sagte Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU), auch wenn das „eine gewisse Kreativität“ erfordere. Wie er das gemeint hat, lässt sich am Beispiel vorgezogener Maßnahmen zur Innenstadtsanierung ablesen: 50 Millionen Euro, die in den Jahren 2002 und 2004 verbaut werden, werden aus dem Etat für das „Wirtschaftsaktionsprogramm“ für die Jahre 2005 bis 2009 genommen. Dennoch, gestern waren alle hoffnungsvoll: Neben den Senatsvertretern auch Opposition und die Arbeitnehmerschaft. Kammer und Gewerkschaften sprachen von einem Schritt in die richtige Richtung, sogar die Grünen sahen „positive Signale“. Und auch OB Schulz war endlich einmal richtig zufrieden, „wenn wir die Konkretisierung jetzt bis zum Sommer schaffen“. Der Mann hat Druck: Spätestens bis zur Sail 2005 soll seine Perlenkette am Wasser komplett sein.

Jan Kahlcke