Angolaner suchen den „Frieden im Kopf“

In Angolas Hauptstadt Luanda entstehen immer mehr Friedensgruppen, die MPLA-Regierung und Unita-Rebellen gleichermaßen als Kriegstreiber ablehnen – anders als die internationale Gemeinschaft, die einseitig die Unita kritisiert

LUANDA taz ■ Nichts funktioniert in dem heruntergekommenen Häuserblock gegenüber dem Militärhospital in Luanda. Das Treppenhaus bleibt dunkel, der Computer in Francisco Albertos Büro ist aus. „Es gibt mal wieder keinen Strom“, erklärt der Vorsitzende von „Fonga“, Forum für 300 unabhängige Organisationen in Angola.

Seit zwei Jahren entstehen in Angolas Hauptstadt zahlreiche Gruppen, die gegen den Kriegskurs von Regierung und Rebellen mobil machen. Seit Jahrzehnten kämpft in Angola die einst marxistische Regierungspartei MPLA unter Staatschef Eduardo dos Santos gegen die Rebellenbewegung Unita unter Jonas Savimbi. Angola ist heute ein traumatisiertes Land; vier der zehn Millionen Einwohner sind vertrieben.

Francisco Alberto nennt Regierung und Rebellen Partner in einem Krieg, der für beide vorteilhaft sei. „Sie töten das Volk.“ Unita kämpft in diamantenreichen Gebieten und kauft Waffen für Edelsteine. Angolas reiche Ölvorkommen sichern wiederum die Regierungsgeschäfte; besonders mit den USA floriert der Handel. Auf das MPLA-Regime wird daher kein internationaler Druck ausgeübt. Der Westen zeigt allein auf Savimbi als Terroristen. Aber zentrale Figuren in der Regierung bereichern sich am Krieg. Und es ist ein offenes Geheimnis, dass Vertreter beider Parteien sich gegenseitig Ressourcen verschachern.

Mit ihren Friedensbemühungen stellen sich daher Bürgerrechtsgruppen und Kirchen gegen beide Kriegsparteien. „Das Volk hatte nie Zeit, das Erbe des Kolonialismus zu diskutieren und sich zu vereinen“, sagt Pfarrer Daniel Ntoni-Nzinga in Luanda. Er arbeitet beim im April 2000 gegründeten ökumenischen Friedenskomitee COIEPA, dem 30 Kirchen angehören. Das Komitee steht in Dialog mit allen politischen Parteien und sagt, immerhin werde nun allseits die Notwendigkeit akzeptiert, über einen Waffenstillstand zu reden.

Aber der katholische Erzbischof und COIEPA-Präsident Zacarias Kamuenho bezweifelt die Friedensabsichten: „MPLA und Unita fehlt der gute Wille.“ Der Erzbischof bezeichnet die jahrelange marxistisch-leninistische Indoktrination des Volkes durch die MPLA als Hürde auf dem Weg in eine friedliche Zukunft. Der Geist der Angolaner müsse entmilitarisiert werden. Für seine Friedensbemühungen erhielt er im Dezember den Sakharov-Preis des Europaparlaments.

Die Kirche als oppositionelle Stimme? Das schätzt der Unita-Politiker Abel Chivukuvuku anders ein. Die katholische Kirche habe die Friedensgruppen vereint, meint er, aber die Regierung ignoriere die Bewegung, weil sie zu schwach sei. Chivukuvuku gilt als Wortführer des zivilen Flügels der Unita, der seit 1997 mit 70 Sitzen seit 1997 im Parlament in Luanda vertreten ist. Er distanziert sich von Savimbis Kriegskurs ebenso wie von der „Unita renovada“, einer Absplitterung der Rebellenbewegung, die mit der Regierung kooperiert. Chivukuvuku unterstützt militärische Sanktionen gegen beide Kriegsparteien, aber nicht die geltenden politischen Sanktionen, zum Beispiel Reiseverbote, der UNO gegen die Unita. Die verhinderten den Dialog. Frieden in Angola habe nur eine Chance, meint Chivukuvuku: Ohne Savimbi und dos Santos.

Nächstes Jahr sollen in Angola Präsidentschaftswahlen stattfinden. Präsident dos Santos will angeblich nicht mehr kandidieren. Aber niemand nimmt die Wahl ernst. „Den Politikern steht der Sinn nicht nach echtem Wechsel“, sagt Francisco. „Die MPLA hat ihre Vision für das Land verloren. Wahlen sind unmöglich. Dafür braucht man Frieden im Kopf.“

Die Gesellschaft ist verkrüppelt, sagt er und zeigt auf die Rollstuhlfahrer, die vor dem Hospital auf und ab fahren. Unterdessen feiert die MPLA ihren 45. Jahrestag mit dem Slogan: „A luta continua“ – Der Kampf geht weiter. MARTINA SCHWIKOWSKI