Woolf ist wieder da

■ Ein stilisierter revolutionärer Ehekrieg

„Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ Das Stück mit dem geheimnisvollen Titel schlug wie ein Blitz in die 60er Jahre ein. Der Ehekrieg zwischen George und Martha war ein Gewittersturm auf den Bühnen, und er hatte eine kathartische Kraft, die das Publikum im bürgerlichen Musentempel erschüttern konnte.

1966 kam der Film, der alle weiteren Inszenierungen überflüssig machte. Denn Elizabeth Taylor und Richard Burton waren nicht zu übertreffen, ihr Auftritt wurde zum Grundmuster der Selbstzerfleischung und ist es bis heute geblieben. Jedes Theater muß Angst vor „Virginia Woolf“ haben, weil es die Götter nicht vom Thron stürzen kann. Jetzt hat im Kleinen Haus des Stadttheaters Bremerhaven die Gastregisseurin Antje Lenkeit das Wagnis einer Neuinszenierung mit Glanz gewonnen. Die Regisseurin, selbst ein Kind der 60er Jahre, befreit Edward Albees Drama von jeder naturalistischen Farbe: Kein Milieu, kein realistischer Ehekrach, sondern Worte und Töne, Lautstärke- und Tempiwechsel, in einem - von der Regisseurin eingerichteten - schwarz-weiß stilisierten Raum. Die linke Seite weiß, die rechte schwarz, in der Mitte eine weiße Säule, dahinter die nicht sichtbare Getränkebar. Auch die Anzüge der Männer hell (Nick) und dunkel (George). Martha (Isabella Wolf) und George (Berndt Stichler) sitzen mit dem Rücken und seitlich zum Publikum. Sie beginnen das gefährliche Spiel sehr leise und mit schnellem Tempo.

Am Ende ist die Zeit der Lügen vorbei, und zwischen aller Erschöpfung und Ernüchterung wird eine Zärtlichkeit sichtbar, die die Angst vor dem, was kommen mag, nicht mehr verdrängt. Isabella Wolf und Berndt Stichler spielen sich im Verlauf der zweieinhalb Stunden immer tiefer und erregender in ihre Rollen hinein, sie mit schnellen, fahrigen Bewegungen, er zurückgenommen langsam. Auch wenn die Sessel umstürzen und wenn die Paare zwischen den Flaschen am Boden liegen, kippt das Geschehen nie in vordergründige Authentizität um.. Im strengen Korsett der Stilisierung steigern sich alle vier Akteure zu einem spannungsreichen Quartett, nicht nur die beiden Protagonisten, auch Selma Baldursson als naiv-hysterisches Baby und Frerk Brockmeyer als jungenhaft-dummer Karrierist entfalten souverän ihre schwierigen Figuren.

„Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ schlägt ein, und der Beifall, der über die völlig überraschten Akteure hereinbrach, zeugte von dem kräftigen Gewitter, das sie ausgelöst hatten. Hans Happel

Weitere Vorstellungen im Stadttheater Bremerhaven,: 17. und 21. Februar, Karten Tel.: 0471 / 49001