al-qaida-terroristen verschmähten meine plätzchen!
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von CAROLA RÖNNEBURG

Ein Herr, der über meine Träume recht gut informiert ist, nennt mein Unterbewusstsein „rege“. Er selbst erlebt nach eigenen Angaben des Nachts nur selten etwas, und wenn doch, dann schiebt er im Supermarkt einen Einkaufswagen durch die Gänge, wie er es einige Stunden zuvor wirklich getan hat. Er zahlt auch bereits in Euro.

Ich dagegen bin im Schlaf sehr beschäftigt. Wären meine Träume Filme, dann könnte ich inzwischen auf ein beachtliches Lebenswerk zurückblicken. Ich glaube aber kaum, dass man mir eine Retrospektive widmen sollte, nicht einmal in einem dritten Programm – manche Träume haben noch nicht einmal Anfang und Schluss, ganz zu schweigen von einem Spannungsbogen. Auch wird nicht immer deutlich, ob sich der Zuschauer in einem Actionreigen, einer Thrillerromanze oder einem Science-Fiction-Dokudrama befindet. Einzig und allein das Horrorgenre folgt handwerklichen Grundregeln. Hier sind auch die Specialeffects meistens ordentlich.

In allen anderen Inszenierungen mangelt es meinen Drehbüchern an Qualität. Sie wurden offenbar immer diskussionslos durchgewunken. Sicherlich ist das auch woanders der Fall – eine Kollegin berichtete einmal von einem Traum, in dem ihr der letzte Ministerpräsident der DDR, Lothar de Maizière, einen anrührenden Heiratsantrag gemacht hatte – , aber wenn die Geschichte bereits nach den ersten Minuten derart unglaubhaft daherkommt, will man doch nicht wissen, wie sie sich weiterentwickelt. Es mag zum Beispiel noch angehen, dass man mit seinem Kater eine Unterhaltung führt, während man gemeinsam durch eine schöne grüne Sommerlandschaft wandert. Dass aber das Tier nicht über einen niedrigen Zaun klettern kann und deshalb eine Räuberleiter benötigt, wirkt doch reichlich an den Fellhaaren herbeigezogen.

Gleiches gilt für eines meiner jüngsten Werke, in dem hunderte von Komparsen mitwirkten, von denen aber nicht eine Nahaufnahme gemacht wurde. Ort des Geschehens ist zunächst ein kleines südeuropäisches Städtchen, das schon mehrfach als Kulisse diente und in dem ich mich, existierte es tatsächlich, inzwischen gut zurechtfände. Manchmal, wie jetzt auch, besitze ich dort ein Haus mit einer großen Küche. Soeben fährt ein Kastenwagen vor. Der Fahrer eines Lieferservices holt bei mir etwa drei Bleche mit frisch gebackenen Keksen ab – Heidesand übrigens – und stapelt im Laderaum noch eine Lage zugekauften Bienenstichs darauf. Er sagt, er müsse sich beeilen und macht sich wieder auf den Weg.

Erstaunlich kurze Zeit später teilt er mir mit, er habe seine Ware in einer al-Qaida-Hochburg verkauft. Meine Plätzchen seien allerdings zurückgewiesen worden, was mich empört. Und noch mehr regt mich auf, dass keine Gründe für die Ablehnung meiner Plätzchen genannt werden. Verdammte Terroristen! Schnitt: Das Bild zeigt eine steinige Wüstenlandschaft. In der Nähe des Horizonts, kaum zu erkennen, marschiert eine ungeordnete Kompanie grau gekleideter Vollbartträger. Da schaltet doch nun wirklich jeder ab.