Um das Runde herum leben

Aus Buben Kicker machen: Nach der U 17 werden aus Perspektiven Berufe  ■ Von Jörg Feyer

Am Hauptbahnhof hat Heiko Ansorge erst die Hälfte des Weges hinter sich. Viermal die Woche fährt der 17-jährige Gymnasiast von Ahrensburg zum St.Pauli-Training nach Eidelstedt. Eren Sen ist sogar 7mal die Woche übend am Ball – und braucht doch für alle Wege zusammen kaum die Zeit, die Ansorge für einen Trip zum Brummerskamp einplanen muss. Vom Internat in Ochsenzoll kann der HSV-er zum Kunstrasenplatz ja fast spucken. Zwischen diesen Extremen kommt Florian Moor auf „20 Minuten mit der Bahn oder zehn mit dem Rad“, wenn er bei Concordia zur Einheit antritt, wie Ansorge viermal die Woche.

Moor, Ansorge und Sen gehörten zur erfolgreichen U17-Auswahl des Hamburger Fußballverbandes (HFV). Der kürzlich erreichte nationale 6. Turnierrang war für die Hamburger Auswahl aller Ehren wert, zumal „wenn man bedenkt, dass Bayern 5000 Vereine hat und wir 168, die Jugendarbeit machen“, wie Verbandssportlehrer Uwe Jahn erläutert. Wohin dieses Potenzial führen kann, darüber will Jahn aber keine Prognose wagen. „Ich bin da vorsichtig, weil ich schon zu viele scheitern gesehen habe, die noch talentierter waren.“ Tatsächlich stehen die Drei, die aus Altersgründen jetzt aus der U 17 ausscheiden vor den 18 Monaten, die meist über eine (Profi-)Karriere entscheiden.

„Ein Tag geht schnell vorüber hier“, bringt Eren Sen das straff organisierte Internatsleben auf den Punkt. Der Strafraumstürmer der HSV-A-Jugend durfte sogar schon das Nationaltrikot überziehen. Sen gehört zum Kader, der in dieser Woche beim Freundschaftsturnier in Italien auflief. Er wolle es „schon beim HSV schaffen“, sagt Sen, wohlwissend, das selbst ein U21-Nationalspieler wie Mahmut Yilmaz bisher kaum über die Amateure hinauskommt.

Florian Moor, Kapitän der U17- Auswahl, hat es noch nicht woanders versucht. Jedenfalls war „das bis jetzt immer klar für mich“, das mit „Cordi“. Doch jetzt dürfte die Auswahlfür den Defensiv-Allrounder zum ersten Mal unklar werden. Es gibt Gespräche und Angebote. Natürlich auch eins von Cordi. Erhöht das den Druck? „Ich merk schon, dass der jetzt langsam kommt und ich mir mehr Gedanken mache darüber, was jetzt kommt. Aber ich habe genug Leute, die mir Tipps geben können.“

Dass sich die Anzahl dieser Leute sprunghaft erhöhen kann, hat gerade Heiko Ansorge registrieren müssen. „Als das mit dem Vertrag rumging, wussten es auf einmal alle besser“, lacht der Mann für die rechte Außenbahn. „Man ist doch doof, wenn man als so junger Spieler so einen Vertrag von einem Bundesligaverein nicht annimmt.“ So ein Amateur-Vertrag des FC St. Pauli läuft vier Jahre, garantiert eine regelmäßige Anhebung der Grundbezüge und einen Profi-Vertrag im Anschluß, sofern der Spieler auf die festgelegte Zahl an Einsätzen kommt.

Zuvor hatte Ansorge in „familiärer Atmosphäre“ vier Jahre lang in Niendorf gespielt, wo man ihn auch unbedingt halten wollte. „Kann ich ja ruhig sagen: Da hätte ich mehr verdient als jetzt bei Pauli. Aber ich wollte unbedingt in einen großen Verein. Bei St. Pauli soll auch Ansorge schon im letzten A-Jugend-Jahr regelmäßig die Möglichkeit bekommen, mit Amateuren und Profis zu trainieren, immer wieder Montags mit Dietmar Demuth höchstpersönlich.

„Das größte Problem ist, dass diese Spieler im Herrenbereich nicht mehr die Zuwendung bekommen, nicht den Stellenwert haben wie noch in der Jugend, dazu kommt ein meist völlig anderer Umgang. Selbst Top-Jugendspieler, die schon einen permanenten Selektionsprozess erlebt haben, müssen sich da erst durchbeißen“, sagt Auswahltrainer Uwe Jahn. Der Fußballlehrer empfiehlt den Verantwortlichen „sehr zu differenzieren. „Und wenn er dann doch kommt, der große Knick und die Profi-Karriere endet, bevor sie begonnen hat?

Die Drei wollen jedenfalls alle ihr Abi machen. Ganz konkret wird's nur bei Eren Sen. Der hat als Alternative den Immobilienmakler im Visier. War sein ehemaliger Trainer ja auch, und „der konnte sich auch schon was leisten.“