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Die B-Frage ist längst entschieden
: Ein fairer Wettkampf

Gerade schien es, als hätte sie erst begonnen, doch nun ist sie schon wieder vorbei. Es war wohl eine gelungene Berlinale, deren Schönheit im Speziellen lag, im Aparten und im Außergewöhnlichen. Zwar wird sie noch drei Tage laufen, doch die zahllosen Cineasten, Filmkenner und andere Freunde des Besonderen haben ihre Sachen bereits gepackt. Sie haben gesehen, was sie sehen mussten: den Bap-Film von Wim Wenders.

Viele zeigten sich aufgerüttelt, andere waren erregt und verwirrt. Die meisten reisten augenblicklich ab. Wohin die Reise ging, weiß im Einzelnen nur der Wind. Doch wahrscheinlich ging sie nach Köln, der nationalen Hochburg des politischen wie auch ästhetischen Widerstands. Was das für Deutschland bedeutet, ist mit Worten kaum zu fassen. Wenders gilt ja in den USA als großes Regietalent, was ein weiterer Beweis dafür ist, dass es tatsächlich das Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu sein scheint. Ein beruhigender Gedanke, der aber bei der Suche nach den Bären kaum weiterhelfen wird. Wer wird sie also kriegen?

Um die so genannte Bärenfrage schon im Vorfeld zufrieden stellend zu lösen, muss man Sorge tragen, die eigentlichen Filme nicht weiter zu beachten. Um die Preisträger mit einiger Treffsicherheit ermitteln zu können, ist es mitunter sogar zweckdienlich, sämtliche Wettbewerbsfilme überhaupt nicht zu kennen. Kennt man sie allerdings doch, gilt es dem eigenen Geschmack nach Kräften zu misstrauen. Was verallgemeinert bedeutet, dass die Filme, die besonders gut gefielen, im Wettlauf um die Bären zurückbleiben müssen – „8 Femmes“ und „The Royal Tenenbaums“ sind damit aus dem Rennen.

Da der Jury zwar ein Hang zur Überraschung, aber nicht zur Kühnheit zugetraut werden darf, ist auch der japanische Animationsfilm „Sen To Chihiro No Kamikakushi/Spirited Away“ weitgehend bärenuntauglich. Alle amerikanischen Beiträge scheiden aus, weil es die Aufgabe der Berlinale ist, die Rolle des europäischen Films zu stärken. Damit sind auch „Shipping News“, „Monster’s Ball“ sowie der britisch-amerikanische Grenzfall „Iris“ nicht mehr dabei, das Feld hat sich damit um sechs Beiträge gelichtet.

Weil darüber hinaus der Eröffungsfilm wie überhaupt die gesamte erste Wettbewerbshälfte grundsätzlich niemals in Betracht kommen, schrumpft die Konkurrenz auf acht Filme zusammen, nämlich auf „Halbe Treppe“, „Amen/Der Stellvertreter“, „Piedras/Steine“, „Lundi Matin/Montagmorgen“, „Baader“, „Na-Bbun-Nam-Ja/Bad Guy“, „Dekapentavgoustos/Ein Tag im August“ und „KT“. Diese Auflistung darf man nun wiederum um den Terroristenfilm „Baader“ sowie Costa-Gavras Hochhuts „Stellvertreter“-Verfilmung „Amen“ kürzen – der eine ist zu kontrovers, der andere schlicht und einfach zu blöd.

Damit bleibt ein Feld von sechs Filmen übrig, das sich aber auf vier reduziert, weil es sich bei dem griechischen Beitrag „Ein Tag im August“ um eine Komödie und bei „KT“ aus Japan um einen Thriller handeln soll. Zwar weiß jeder, dass Thriller und Komödien eigentlich das Größte sind, doch Festspieljuroren scheinen sich dieser Einsicht tapfer zu verweigern – das muss man respektieren. Damit bleiben nun ein spanischer, ein südkoreanischer, ein französischer und ein deutscher Film übrig. Weil von all diesen Filmen der deutsche Beitrag „Halbe Treppe“ den Bären am dringendsten braucht, wird er ihn auch bekommen. Herzlichen Glückwunsch von dieser Stelle aus an den Regisseur Andreas Dresen und sein gesamtes Team. Es war ein fairer Wettkampf, es blieb spannend bis zum Schluss.

HARALD PETERS