Politik gegen den Hass

Die Reformer in Iran werden durch die amerikanische Propaganda geschwächt. Statt auf Aggression sollten die US-Strategen lieber auf einen kritischen Dialog setzen

Zum Glück lassen sich die Europäer dieses Mal wohl nicht auf das amerikanische Abenteuer ein

Die verbale Attacke des amerikanischen Präsidenten George W. Bush gegen Iran kam unerwartet. Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus werde fortgesetzt, sagte er und nannte frei heraus die nächsten Adressaten: Irak, Iran und Nordkorea, Staaten, die er als „Achse des Bösen“ bezeichnete.

Zwar hat man sich inzwischen längst damit abgefunden, dass der Präsident jeden Gedanken, der ihm in den Sinn kommt, oder Gefühle, die ihm Bauchschmerzen bereiten, unkontrolliert in Worte fasst. Hatte er doch sogleich nach den Anschlägen vom 11. September von einem „Kreuzzug“ gegen den Islam gesprochen und damit viel Unheil angerichtet. Mittlerweile weiß man aber, dass den markigen Worten nicht unbedingt Taten folgen. Bush genießt Redefreiheit, über die Taten entscheiden andere. Dennoch lassen die verbalen Attacken die Befürchtung zu, dass dieses Mal hinter den Worten des Präsidenten mehr steckt als eine launische Gefühlsäußerung. Sollten sie ernst gemeint sein, wären die Folgen fatal.

Welcher Teufel hat den amerikanischen Präsidenten zur Propaganda gegen Iran geritten? Hat ihn vielleicht der leicht errungene Erfolg in Afghanistan in einen Siegesrausch versetzt?

Sollten den verbalen Angriffen tatsächlich konkrete Schritte folgen, würden die Vereinigten Staaten dafür sicherlich keine Lorbeeren ernten. Sie würden nicht nur den besten Vorwand für terroristische Aktionen liefern, sondern auch den gesamten Nahen und Mittleren Osten vollends in ein Chaos stürzen. In Iran selbst würde eine amerikanische Intervention der Reformbewegung einen tödlichen Schlag versetzen.

Bis vor kurzem noch verbesserten sich die iranisch-amerikanischen Beziehungen beständig, nicht zuletzt seit der Wahl des Staatspräsidenten Chatami vor fünf Jahren. Die Regierung Clinton begrüßte Chatamis Reformpolitik, kontinuierliche Kontakte auf verschiedenen Ebenen sollten allmählich zur Aufhebung des von den USA gegen Iran verhängten Wirtschaftsboykotts führen und den Boden für die Normalisierung der Beziehungen bereiten. Nach dem Einzug Präsident Bushs ins Weiße Haus wurde diese Politik fortgesetzt.

Selbst die Ereignisse vom 11. September führten keineswegs zum Abbruch der Annäherungsversuche. Im Gegenteil, die Islamische Republik erklärte sich sogar bereit, die internationale Allianz gegen Terror zu unterstützen. Als die USA ihren militärischen Angriff auf Afghanistan starteten, gab es zwar Protestrufe aus dem Lager der Rechten, aber gleichzeitig wurden zwischen den Regierungen geheime Botschaften ausgetauscht. Iran erklärte sich bereit, falls nötig, amerikanischen Soldaten in Afghanistan Hilfe und Zuflucht zu gewähren und den USA geheime Informationen zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug garantierten die USA, die nationale Souveränität Irans zu achten.

Nun hat sich das Blatt gewendet und zwar zeitgleich mit der von Israel bekannt gegebenen Entdeckung eines Frachters, der angeblich Waffen aus Iran für die palästinensische Regierung an Bord hatte. Eindeutig bewiesen ist diese Behauptung nicht. Es ist durchaus denkbar, dass Fundamentalisten in Iran Chatami einen Streich spielen und seine Außenpolitik torpedieren wollten. Die Entdeckung lässt sich aber auch, wie bereits geschehen, propagandistisch für die Politik Scharons verwenden. Böse Zungen behaupten sogar, die eine Vermutung schließe die andere nicht aus. Gibt es vielleicht auch hier im Verborgenen eine „Achse des Bösen“?

Die USA werfen dem Iran vor, terroristische Organisationen zu unterstützen und den Bau von Nuklearwaffen eingeleitet zu haben. Die Vorwürfe sind nicht neu und zumindest teilweise nicht unberechtigt. Es ist bekannt, dass die islamischen Machthaber nicht nur im Inland, auch im Ausland zahlreiche Terroranschläge in Auftrag gegeben haben. Es ist auch bekannt, dass radikale palästinensische Gruppen aus dem Iran materielle und militärische Unterstützung erhalten. Doch trotz dieser Tatsachen zielte die amerikanische Iran-Politik in den letzten Jahren darauf ab, die Reformbewegung zu unterstützen, um damit die noch mächtigen Konservativen, auf deren Rechnung die Terroranschläge zu verbuchen sind, an den Rand zu drängen. Was also hat die USA dazu bewogen, Iran zu attackieren – ein Land, in dem sich derzeit ein innerer Wandel vollzieht, den man aus demokratischer Sicht allen islamischen Staaten wünschen würde? Die Entwicklung in Iran muss höchst differenziert betrachtet werden, ja sie darf keinesfalls mit dem Irak und Nordkorea auf dieselbe Stufe gestellt werden.

Die neuen Vorwürfe der USA, Iran hetze lokale Kräfte in Afghanistan gegen die Regierung in Kabul auf und gewähre Mitgliedern von al-Qaida Zuflucht, reichen nicht als Grund für den radikalen Kurwechsel der Amerikaner, zumal Iran seit dem Militärangriff in Afghanistan sich wider Erwarten weitgehend zurückgehalten hat. Iran hätte als mächtiger Nachbar, der kulturell Afghanistan am nächsten steht, fast drei Millionen afghanische Flüchtlinge beherbergt und jahrelang die Nordallianz gegen die Taliban unterstützt hat, eine größere Einflussnahme für sich beanspruchen können. Dass es diese Chance verpasst hat, liegt an den Rivalitäten zwischen den Rechten und den Reformern, die die Handlungsfähigkeit der Regierung stark eingeschränkt haben. Ein militärischer Angriff gegen den Iran lässt sich jedenfalls nicht mit der iranischen Afghanistan-Politik begründen.

Ein militärischer Angriff gegen Iran lässt sich nicht mit der iranischen Afghanistan-Politik begründen

Bereits jetzt ist die Wirkung der Worte aus Washington deutlich zu spüren. Den rechten Islamisten müssen die Drohgebärden des US-Präsidenten wie ein Geschenk des Himmels erschienen sein. Denn gerade in diesen Wochen haben sie in der Auseinandersetzung mit den Reformern einige Niederlagen einstecken müssen. Nun verleiht ihnen der Wink aus den USA neue Kraft. Sie werden die in den letzten Jahren stark erblassten Feindbilder, USA und Israel, die schon zu Beginn der Revolution zur Legitimierung ihres Staates herhalten mussten, wieder aufleben lassen. Der Anfang ist bereits gemacht. Am 12. Februar, dem Jahrestag der iranischen Revolution, gelang es den Konservativen nach langer Zeit wieder hunderttausende Gläubige auf die Straße zu locken. „Tod den USA“, „Tod Israel“, skandierten die Massen mit geballten Fäusten. Die geistlichen Oberhäupter beschwören schon wieder die Einheit und Geschlossenheit des Volkes, was nichts anderes bedeutet, als die Widersprüche unter den Teppich zu kehren und jede Kritik am Staat als Landesverrat und Kollaboration mit dem äußeren Feind zu ahnden. Es sind dieselben Parolen, mit deren Hilfe das Volk während des achtjährigen Kriegs gegen Irak in Schach gehalten wurde.

Zum Glück scheinen die Europäer dieses Mal nicht bereit zu sein, sich auf das amerikanische Abenteuer einzulassen. Es ist zu hoffen, dass es ihnen gelingt, die US-Strategen davon zu überzeugen, dass eine aggressive Politik den Hass gegen die USA verstärken und den Nährboden für Terroristen ausweiten würde.

BAHMAN NIRUMAND