Diepgen unter Feuer

Zeitungsanzeigen fordern den Berliner Exbürgermeister zum Rückzug von seiner Bundestagskandidatur auf

BERLIN taz ■ Der Drang des früheren Berliner Bürgermeisters Eberhard Diepgen in den Bundestag hat jetzt auch öffentliche Proteste ausgelöst. Zwei Tage vor einer Landesdelegiertenkonferenz der Union wurde der noch amtierende Berliner CDU-Vorsitzende gestern in viertelseitigen Anzeigen in drei Lokalzeitungen aufgefordert, nicht für das Parlament zu kandidieren.

„Schädigen Sie bitte Ihre Partei nicht noch mehr!“, heißt es in dem Text eines Vereins „Berlin braucht Bürger“. Mindestens drei der zwölf Unterzeichner gehören laut Vereinsangaben der CDU an. Heute sollen weitere Anzeigen folgen. In der Vergangenheit hatten sich auch Funktionsträger der Partei kritisch zu Diepgens Drang in den Bundestag geäußert, jedoch nicht in derart öffentlicher Weise.

Die Anzeige weist Diepgen „die entscheidende Verantwortung für die katastrophale Situation der Stadt zu“. Diepgen stand über 16 Jahre an der Spitze des Stadtstaats, ehe er im Juni 2001 von dem Sozialdemokraten Klaus Wowereit abgelöst wurde. Die Schulden Berlins haben sich seit Anfang der Neunziger fast verfünffacht. Derzeit steht die Stadt mit fast 40 Milliarden Euro in der Kreide und muss jeden vierten Euro ihres neuen Haushalts über Kredite finanzieren.

Vor diesem Hintergrund will es der Verein nicht hinnehmen, dass Diepgen als Spitzenkandidat der Berliner CDU in die Bundestagswahl am 22. September geht. Der Landesvorstand hatte sich am Montag in einer Kampfabstimmung knapp für Diepgen und gegen den ehemaligen DDR-Bürgerrechtler und Fraktionsvize im Bundestag Günter Nooke ausgesprochen. Die endgültige Entscheidung über die Landesliste trifft morgen eine Delegiertenkonferenz.

Organisator des Vereins ist CDU-Mitglied Bernd Schultz, der ein namhaftes Berliner Auktionshaus führt und die Kosten der Anzeigenkampagne mit 25.000 Euro angibt. Die Unterzeichner betrachteten das Schreiben nicht als öffentliche Schmähung Diepgens. „Wir wollen ein bisschen aufrütteln“, sagte der Musikverleger Rolf Budde.

Diepgen, der im Mai als CDU-Landeschef zurücktreten will, bezeichnete den Brief als „inhaltlich falsch und ein Stück weit persönlich verletzend. Aber damit muss man in der Politik leben.“ Zu den Unterzeichner um Schultz sagte er, einige seien schon mehrfach als Briefeschreiber aufgefallen. STEFAN ALBERTI