Mein Land und ich

Zwischen Patriotismus und Pragmatismus: Unter dem Titel „Russlands Jugend, wohin?“ hat die Zürcher Fotografin Silvia Voser das Lebensgefühl russischer Jugendlicher dokumentiert

Seit zehn Jahren verfolgt die Fotografin Silvia Voser – im Sinne eines Langzeitprojektes – die Entwicklungen in Russland. Für ihre Ausstellung „Russlands Jugend, wohin?“, die im vorigen Jahr in Zürich zu sehen war und demnächst in Buchform erscheinen soll, hat sie in Moskau, in der Kleinstadt Kaluga und in dem Dorf Dvorzi dreißig junge Russen und Russinnen porträtiert – wir zeigen eine Auswahl der Porträts.

Voser hat die Jugendlichen nach ihrer gegenwärtigen Situation, nach ihren Problemen und Träumen und ihren Zielen befragt, nach ihrem Verhältnis zur Politik, ihrer Einschätzung, wo Russland heute steht und in zehn Jahren stehen wird. „Natürlich“, sagt Voser, „sind auch die Jugendlichen in Russland so verschieden wie überall. Aber es gibt Gemeinsamkeiten. Von denen, die ich porträtiert habe, betonten fast alle, dass der russische Mensch doch etwas ganz Besonderes sei. Seine Seele sei weiter und sein Herz größer als bei den anderen Europäern. Russische Freundschaften seien unverbrüchlicher, russische Gedanken tiefer und die russische Emotionalität sei sowieso stärker als bei Menschen anderer Nationalitäten. Fast hat es den Anschein, als brauchten die Jugendlichen das Bewusstsein russischer Besonderheit, um mit der wirtschaftlichen Misere ihres Landes und der tief empfundenen Missachtung durch die Welt leben zu können.“

Silvia Voser arbeitet als freie Fotografin, überwiegend in den Bereichen Reportage, Porträt und fotografische Illustration. 1996 erschien im Benteli Verlag Bern ihr Fotobuch „Schöne neue Welt? Russischer Alltag 1992–1996“.