Die neue Pflicht zur Güte

■ Guter Rat: Was bringt eigentlich die Reform der Zivilprozessordnung?

Ein großer Wurf sollte sie werden, die am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Reform der Zivilprozessordnung. Verfahrensdauern von zum Teil mehreren Jahren, aber auch der Vorwurf, 20 bis 30 Prozent der Urteile seien Fehlurteile, machten eine Neufassung der Zivilprozessordnung erforderlich. Jetzt befindet die Reform sich im Praxistest und muss beweisen, ob sie hält, was sich – und uns – der Gesetzgeber versprochen hat.

Hauptziele der Reform waren die Entlastung der Gerichte, die Beschleunigung der Verfahren und bürgernähere Entscheidungen. Hierzu sind einige Neuerungen eingeführt worden, so zum Beispiel erweiterte Hinweis- und Aufklä-rungspflichten der Richter, die zu vermehrter Akzeptanz von Entscheidungen führen und damit viele Berufungen und Revisionen überflüssig machen sollen, Einschränkungen von weiterem Tatsachenvortrag in der Berufungsinstanz und die zwingend vorgeschriebene Güteverhandlung.

Die Idee der Güteverhandlung stammt aus dem Arbeitsgerichtsverfahren, wo sie schon seit Jahren praktiziert wird. Im Zivilverfahren ist sie jetzt, außer bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit, nach § 278 ZPO jedem Verfahren vorangestellt. Hierzu haben auch die Parteien selber, also KlägerIn und BeklagteR, persönlich vor Gericht zu erscheinen. Die Absicht ist, das Verfahren so früh wie möglich durch einen Vergleich zu beenden. Funktioniert dies nicht, findet eine weitere Verhandlung statt, unter Umständen sofort im Anschluss an den Gütetermin, möglicherweise aber auch erst zu einem späteren Zeitpunkt.

Ob dieser Pflicht-Gütetermin begütigend und arbeitserleichternd wirken wird, bleibt abzuwarten. Zunächst wird es durch die Anwesenheit der Parteien selber im Termin, das zeigt jedenfalls die bisherige Erfahrung, zu einer Verlängerung des Termins kommen. Die Streithähne und -hennen haben sich (und manchmal auch dem Gericht) oft noch so einiges zu sagen, was sie loswerden, die RichterInnen häufig nicht gerne hören wollen.

Und die Gerichte müssen, um glaubwürdige Vergleiche vorschlagen zu können, den gesamten Sachverhalt schon für den Gütetermin vollständig durchgearbeitet haben. Dies verringert nicht unbedingt den Arbeitsaufwand der RichterInnen, eher im Gegenteil.

So bleibt abzuwarten, ob sich der Gütetermin als Gewinn für BürgerInnen und Justiz erweisen wird, oder doch eher als Kuckucksei.

Waltraut Braker

Die Autorin ist Rechtsanwältin in Hamburg